Bis zur künstlichen Befruchtung

Bis zur künstlichen Befruchtung
Kira Stütz
Foto: Maike Glöckner

Die Smartphone-App Instagram wird von etwa einem Drittel der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren genutzt. Wie sich Pfarrerinnen und Pfarrer darin präsentieren, erforscht die Theologin Kira Stütz aus Leipzig.

Im Sommer 1994 bin ich in Lüdenscheid geboren worden, hinein in eine Familie, die nicht besonders christlich geprägt war. So bin ich zwar als Baby getauft worden, aber schon bei meinem jüngeren Bruder haben meine Eltern auf eine Säuglingstaufe verzichtet. Dennoch bin ich langsam, etwa durch den Kindergottesdienst, näher mit der Kirche in Kontakt getreten. In der Konfirmand:innenzeit habe ich dann endgültig Fuß gefasst, habe Kindergottesdienste organisiert und Gruppen geleitet, insgesamt habe ich hier viel Freiraum erfahren. Ebenso wichtig war ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Gemeinde in Nordengland, in der ich auch predigen durfte. Deshalb (und weil ich zumindest das Latinum schon in der Schule gepackt hatte) habe ich es mir zugetraut, Theologie zu studieren, zuerst in Heidelberg, dann in Leipzig und Halle/Saale, auch um mich auf Entdeckungsreise zu meinen ostdeutschen Wurzeln zu machen, weil fast alle meine Großeltern ursprünglich aus Ostdeutschland stammten.

Meine Examensarbeit habe ich vor fast drei Jahren bei Professor Alexander Deeg in Leipzig darüber geschrieben, wie Pfarrer:innen auf Instagram kommunizieren, weil mir aufgefallen war, wie viel dort in dieser Hinsicht digital passiert. Uns beiden wurde schnell klar, dass in dem Thema noch viel mehr steckt – und so kreist auch meine Doktorarbeit darum. Ihr Titel lautet: „Öffentliches Amt und digitale Inszenierung. Eine qualitativ-empirische Studie zur Selbstpräsentation evangelischer Pfarrer:innen auf Instagram.“

Hierbei ist folgende Forschungsfrage zentral: Wie sieht das Pfarramt als ein genuin öffentliches Amt in Zeiten der Digitalität aus? Ich selbst bin seit 2014 bei Instagram. Instagram als solches ist als Teil der Social Media von hoher Bedeutung, der Gebrauch ist enorm: Die Smartphone-App wird laut der Onlinestudie 2022 von ARD und ZDF von etwa 31 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren genutzt. Die Nutzung in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen beträgt sogar rund 74 Prozent, so dass Instagram unter den Social-Media-Anwendungen in dieser Altersspanne auf dem ersten Platz rangiert.

Wie es für das Medium Instagram üblich ist, posten auch die Pfarrpersonen Bilder, Storys und Videos, fügen diesen Bildunterschriften hinzu und treten mit ihrer Followerschaft in Kontakt. Hashtags wie #digitale Kirche und #was PfarrerinnenSoMachen werden tausendfach bedient, um sich zu vernetzen oder sichtbar zu machen. Auch die Instagram-Namen der Pfarrpersonen verweisen auf den thematischen Kontext ihrer Social-Media-Aktivität, denn sie heißen pfarrerausplastik, seligkeitsdinge, oder ja.und.amen. Die Themen, die die Pfarrer:innen einbringen, sind divers. Häufig gewähren sie Einblicke in ihren Alltag und ihren Beruf, initiieren Debatten und Austauschmöglichkeiten oder signalisieren durch den Hashtag #ansprechbar ihre Bereitschaft für seelsorgliche Gespräche. Manchmal entsteht ein Netzwerk, das Raum auch für Andachten und Gebete bietet.

Einige der auf Instagram aktiven Pfar­rer:innen erreichen mit ihren Accounts mehrere tausend meist jüngere, Nutzer:innen. Manche so genannte Sinnflu­en­cer:innen haben 20 000 bis 40 000 Follower, da ist auch leicht eine eigene Handschrift erkennbar. Der Account seligkeitsdinge etwa hat derzeit rund 41 000 Follower. Spannend wird es für mich ab etwa 1 000 Nutzer:innen, da hier deutlich wird, dass der Raum, den sie ansprechen, deutlich über ihre eigene Gemeinde hinausgeht. Die Motive, weshalb Pfarrer:innen bei Instagram aktiv werden, sind unterschiedlich. Häufiger waren sie schon vorher dort vertreten, öffnen diesen Raum aber nun für ihre neue pastorale Rolle. Das lässt sich dann etwa so zusammenfassen: Ich bin hier mit meiner ganzen Person. Andere Pfarrpersonen agieren auf Instagram eher in Reaktion auf einen Relevanzverlust der Kirche: Sie wollen erreichbar sein auch außerhalb der klassischen Kirchenszene. Manche Pfarrpersonen nutzen Instagram konzentriert in ihrer Rolle als Seelsorger, posten Gebete oder Reels (also Kurzvideos von maximal 90 Sekunden Länge) oder stehen für Gespräche zur Verfügung. Auch der (ungeschönte) Einblick in den Berufsalltag ist für viele ein Ziel. Das kann dann etwa so gehen: Ah, ich komme gerade von einer Beerdigung, nichts ist fertig, aber ich esse jetzt erst einmal aus Frust ein Eis auf dem Sofa!

Mittlerweile gibt es Pfarrer:innen, die für ihre Social-Media-Arbeit Stellenanteile haben. Ein prominentes Beispiel ist das lesbische Pfarrerinnenpaar unter dem Namen Anders Amen, das auf YouTube und Instagram zum Teil ziemlich persönliche Dinge thematisiert, etwa über ihren gemeinsamen Versuch, mit einer künstlichen Befruchtung ein Kind zu bekommen. Der Anspruch auf Professionalität ist bei diesen beiden Pfarrerinnen dabei schon so hoch, dass sie ein eigenes Studio haben.

In Bezug auf Professionalität und das Bedienen appinterner Logiken variieren die Accounts der Pfarrer:innen enorm. Auch die Intensität persönlicher oder gar privater Einblicke unterscheidet sich bei den verschiedenen Personen. Die Wortlastigkeit, für die besonders protestantische Pfarrer:innen bekannt sind, lässt sich oft auch auf Instagram finden. Da sind dann die Bildunterschriften so im Fokus, dass das Foto nebensächlich scheint – dabei ist Instagram zuerst ein visuelles Medium. Während meiner Recherchen fällt mir zudem immer wieder auf, dass gerade eher fundamentalistisch angehauchte Instagram-Accounts der instagramesken Ästhetik mehr Gewicht geben und dadurch auf den ersten Blick professioneller erscheinen – auch wenn der Schein trübt.

Wenn auch mein Fokus weniger auf der Rezipient:innenebene liegt, gehe ich davon aus, dass die Instagram-Auftritte von Pfarrer:innen vor allem junge Leute zwischen Mitte zwanzig und Ende dreißig erreichen, oft entspricht die Zielgruppe in etwa der eigenen Altersgruppe. Allerdings liegt mein Forschungsfokus ganz auf der Seite der pastoralen Selbstpräsentation. Eine sich daraus ergebende pastoraltheologische Frage ist beispielsweise die, ob durch Instagram die mühsam erstrittene Trennung von Privatleben und Beruf bei Pfarrpersonen untergründig wieder brüchig wird. Denn Instagram lebt ja häufig gerade davon, dass diese lange Zeit fehlende Trennung, die zu viel Burnout bei Pfarrer:innen geführt hat, wieder aufgehoben wird. Und so wird beispielsweise der gepostete Wäscheberg zum Symbol der Frage, ob hier der Pfarrer auf Instagram postet oder die Privatperson, die eben auch Pfarrer ist. Getreu dem Motto: Die Wäsche türmt sich, aber die Gnade waltet trotzdem.

Aufgezeichnet von Philipp Gessler

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