Besser kein Gesetz als eines von diesen

Zur Abstimmung im Deutschen Bundestag über die Gesetzentwürfe zum assistieren Suizid

Die mit Spannung erwartete Abstimmung über die beiden Gesetzentwürfe zum assistierten Suizid brachte  im Deutschen Bundestag kein Ergebnis. Gut so, meint Ulrich H.J. Körtner, Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Universität Wien.

Der Ausgang der Abstimmung im Deutschen Bundestag über die beiden Gesetzentwürfe zur Regelung des assistierten Suizids war für manche überraschend, kam aber nicht ganz unterwartet. Letztlich erreichte weder der fraktionsübergreifende Entwurf des Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci (SPD) noch derjenige der Gruppe um (Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Bündnis90/Die Grünen) die erforderliche absolute Mehrheit. So bleibt vorerst alles beim Alten: Weder der Suizid noch die Beihilfe zur Selbsttötung stehen in Deutschland unter Strafe.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht das 2015 beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe (§ 217 StGB) gekippt hat, ist der vorherige Rechtszustand wiederhergestellt. Für den Bundestag bestand im Grund kein akuter gesetzgeberischer Handlungsdruck, weil in der Frage der Suizidhilfe kein rechtsfreier Raum besteht.

Unter dem Eindruck des Karlsruher Urteils hat die Bundesärztekammer zwar ihre Berufsmusterordnung geändert, so dass die Mitwirkung von Ärztinnen und Ärzten beim assistierten Suizid künftig nicht ausgeschlossen ist. Zugleich hat die Bundesärztekammer aber unterstrichen, dass die Mitwirkung am Suizid auch weiterhin keine ärztliche Aufgabe ist.

Autonomie und Lebensschutz

Allerdings bleibt offen, wie Sterbewillige auf legalem Wege an letale Betäubungsmittel wie Pentobarbital gelangen können, um sich mit ihrer Hilfe das Leben zu nehmen. Hierfür bräuchte es wohl eine Änderung im Betäubungsmittelrecht, die ohne flankierende Maßnahmen, die Missbrauch ausschließen und Sterbewillige von voreiligen Entscheidungen abhalten, nicht gesetzt werden darf. Außerdem bleibt die Frage, ob und wie der Gesetzgeber die Aktivitäten von Sterbehilfevereinen wirksam kontrollieren und gegebenenfalls auch einschränken will. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur die Autonomie von Sterbewilligen gestärkt, sondern ausdrücklich auch dem Anliegen des Lebensschutzes und der Aufgabe des Gesetzgebers, diesen zu stärken ausdrücklich Rechnung getragen.

Ohne den verfassungsrechtlich verankerten Lebensschutz gegen das Recht auf Selbstbestimmung und freie Persönlichkeitsentfaltung ausspielen zu wollen, ist es doch zu begrüßen, wenn der Suizid weiterhin nicht als Normalfall selbstbestimmter Lebensführung angesehen wird. Jede Form der gesetzlichen Regelung der Suizidhilfe, gleich ob mit oder ohne Beratungspflicht, verstärkt den Eindruck einer neuen Normalität. Auch jede berufsrechtliche Regelung, etwa in Form von Verordnungen oder Richtlinie für Gesundheitsberufe, fördert die Professionalisierung und Normalisierung des assistierten Suizids.

Beide nun gescheiterten Gesetzentwürfe sind mit Schwierigkeiten behaftet: Der Castellucci-Entwurf wollte Beschränkungen und den Schutz des Lebens von Suizidwilligen wie von Dritten auf dem Weg des Strafrechts erreichen. Das Anliegen ist zwar begrüßenswert, doch ist fraglich, ob der erneute Versuch einer strafrechtlichen Einschränkung des Suizidhilfe im Fall einer erneuten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand gehabt hätte. Eine erneue Nichtigkeitsentscheidung wäre dem Anliegen des Lebensschutzes abträglich gewesen. Insofern war es eine kluge Entscheidung der EKD, für keinen der vorliegenden Entwürfe eine Empfehlung abzugeben.

Erhebliche Kosten für Beratungsnetz

Der Entwurf von Helling-Plahr und Künast hätte der Normalisierung des assistierten Suizids erheblichen Vorschub geleistet, zumal die Tendenz dahin geht, nicht nur bei Vorliegen einer schweren Erkrankung, sondern auch den Suizid auch in anderen Fällen, zum Beispiel bei Lebensüberdruss, leichter zu ermöglichen. Und ein in diesem Entwurf gefordertes bundesweites Beratungsnetz für die Pflichtberatung von Suizidwillige einzurichten, wäre mit erheblichen Kosten verbunden gewesen.

Dass der Bundestag nun stattdessen mit großer Mehrheit verstärkte Maßnahmen zur Suizidprävention beschlossen hat, ist sehr zu begrüßen. Allerdings ist auch Suizidprävention ebenso wenig wie ein Ausbau der Palliativversorgung zum Nulltarif zu haben. Das muss allen Beteiligten bewusst sein. Die Beratungen über den Bundeshaushalt 2024 stehen im Zeichen von notwendigen Sparmaßnahmen, auch im Gesundheitswesen, während gleichzeitig die Ausgaben für Sicherheit und Militär wie auch für den Klimaschutz steigen. Sollen Entschließungen zum Ausbau der Suizidprävention nicht bloße Lippenbekenntnis bleiben, müssen Parteien und Regierung sagen, woher das Geld kommen soll. Hier sind auch die Kirchen, Diakonie und Caritas gefordert, nicht lockerzulassen und auch ihre eigenen Strategien und Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen.

Fazit: Dass der Bundestag kein neues Gesetz zur Regelung der Suizidhilfe beschlossen hat, hat sein Gutes. Das letzte Wort dürfte aber mit dem Verbleib beim gesetzlichen Status quo noch nicht gesprochen sein.

 

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