Rechtsanwältinnen ohne Rechte

Eine Ausstellung über „Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft“ in der NS-Zeit
Der Anteil von Frauen jüdischer Herkunft war unter den Juristinnen sehr hoch.
Der Anteil von Frauen jüdischer Herkunft war unter den Juristinnen sehr hoch.
Der Anteil von Frauen jüdischer Herkunft war unter den Juristinnen sehr hoch.

Elisabeth Kohn hatte wenig Illusionen darüber, was sie erwarten würde: „Wir sind in allen Dingen sehr hart geworden. Niemand kann ermessen, was uns noch zu erfahren bevorsteht. Es hätte ja auch niemand geglaubt, dass wir alles bis zu einem solch bitteren Grade hier durchstehen müssten. Und ich bin überzeugt, dass für uns das Ende nach unten noch nicht erreicht ist.“ Das schrieb die promovierte Philosophin und Rechtsanwältin Elisabeth Kohn, geboren 1902 in München, am 18. September 1941 an den Kollegen Max Hirschberg. Nur rund zehn Wochen später, am 25. November, wurde Liesel Kohn, wie sie gerufen wurde, in der Nähe von Kaunas (Litauen) von den Nazis erschossen. Zusammen mit ihrer Schwester und Mutter sowie weiteren rund 3 000 Münchner Jüdinnen und Juden.

Die Wanderausstellung „Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft“ erzählt die erschütternde Geschichte von Liesel Kohn und weiteren 16 Frauen, die von den Nazis aus dem Job gedrängt und verfolgt wurden, ins Exil gehen mussten oder ermordet wurden. Diese Frauen repräsentierten zugleich die erste Juristinnengeneration in Deutschland, oft hoch begabte Pionierinnen in ihrem Feld. Liesel Kohn wurde in der Endphase der Weimarer Republik im November 1928 zur Rechtsanwaltschaft in München zugelassen und in die Rechtsanwaltsliste eingetragen. Doch sie konnte gerade einmal fünf Jahre als Mitarbeiterin der Kanzlei von Max Hirschberg und Philipp Loewenfeld tätig sein.

„Irgendein Frauenberuf“

Mit den Kollegen verteidigte sie vor Gericht bis zur Emigration der beiden neben Jüdinnen und Juden viele sozialdemokratisch oder pazifistisch eingestellte Menschen, die von den Nazis bedroht wurden. Nach der Machtübernahme Hitlers durfte Liesel Kohn nicht mehr als Anwältin arbeiten. Ihr Protest dagegen wurde mit der Begründung abgelehnt: „Elisabeth Kohn ist jung und ledig und kann in irgendeinem Frauenberuf unterkommen.“

Wie in der Ausstellung zu erfahren ist, war der Anteil von Frauen jüdischer Herkunft unter den Juristinnen sehr hoch. So war 1928 die Gruppe jüdischer Jurastudentinnen sechzehnmal höher, als es dem jüdischen Bevölkerungsanteil entsprochen hätte. Im Deutschen Juristinnen-Verein war 1919 knapp ein Drittel der Frauen jüdisch. Der Anteil der jüdischen Frauen unter den Anwältinnen wurde auf ungefähr 25 Prozent geschätzt. Die Zahlen zeigen, wie sehr die jüdischen Juristinnen das deutsche Rechtswesen hätten prägen können, wenn sie nicht verfolgt, aus dem Beruf gedrängt und ermordet worden wären.

Diese Tragödie vertieft die Ausstellung, für die der Deutsche Juristinnenbund verantwortlich zeichnet, auch durch Tafeln etwa zu den Themen Zulassung von Frauen zu den juristischen Berufen, Gründung des Juristinnen-Vereins 1914, Berufsverbote, Vertreibung, Ermordung, Exil, Remigration und Restitution.

Liesel Kohn arbeitete nach ihrem Berufsverbot im Wohlfahrtsamt der Israelischen Kultusgemeinde München, wo sie vor allem ausreisewilligen Gemeindemitgliedern half. Überliefert ist dieses Lob über sie: „Sie war die Seele des Amtes, unermüdlich tätig für andere, immer hilfreich und ermutigend.“ Obwohl sie Möglichkeiten der Ausreise in die USA hatte, verzichtete Liesel Kohn aus Sorge um ihre Mutter auf die Emigration. Ein Visum, das sie noch für Kuba erhielt, kam zu spät. Am 20. November 1941 wurde sie mit ihrer Schwester und Mutter deportiert.
 

Information
Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 3. November bei den Jüdischen Kulturwochen in Hanau. Danach wandert sie nach München.

www.jg-hanau.de/aktuelles/news/1339-28092023-03112023-ausstellung-juedische-juristinnen-und-juristinnen-juedischer-herkunft

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