„Der Preis der Demokratie“

Gespräch mit Bischof Henrik Stubkjær über das Selbstverständnis des Lutherischen Weltbundes und seine Ziele als dessen neuer Präsident
Der neue LWB-Präsident Henrik Stubkjaer
Foto: LWF/Albin Hillert
Henrik Stubkjaer, Bischof im dänischen Alborg, wurde in Krakau zum neuen Präsidenten des Lutherischen Weltbundes (LWB) gewählt.

Er ist der fast machtlose Kopf einer sehr vielfältigen weltweiten Organisation: Der dänische Bischof Henrik Stubkjær hat als neuer Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB) wenig mehr als sein Wort, um die säkularen Gesellschaften Europas, aber auch die wachsenden Kirchen des Südens zu überzeugen, etwa von der Frauenordination, der Homosexuellenehe – oder davon, doch Beiträge für den Kirchenbund zu zahlen. zeitzeichen-Redakteur Philipp Gessler hatte die Möglichkeit, Henrik Stubkjær kurz nach seiner Wahl bei der LWB-Vollversammlung in Krakau zu interviewen.

zeitzeichen: Herr Stubkjær, was ist der Zweck des Lutherischen Weltbundes (LWB)?

HENRIK STUBKJÆR: Der Zweck ist, als eine Gemeinschaft sich gegenseitig zu inspirieren und die lutherischen Kirchen auf der ganzen Welt zu vereinen. Von Anfang an, gleich nach dem Zweiten Weltkrieg, arbeiteten die lutherischen Kirche im LWB für die Bedürftigen zusammen, ebenso in der Mission, bei der wir uns gegenseitig inspiriert haben. Ein Zweck war auch, dass sich die Schwesterkirchen in der lutherischen Theologie bestärken und neue Ideen von Lutheranern von überall aus der Welt bekommen. Schließlich wollen die Lutheraner im ökumenischen Feld eine Rolle zu spielen, was ja auch seit Martin Luther der Fall war.

Aber ist der LWB wirklich noch nötig in einer Zeit, in der, geschätzt, ungefähr 99 Prozent der Bevölkerung in Europa nicht mehr den Unterschied erklären kann zwischen, sagen wir,  Luthertum und Calvinismus?

HENRIK STUBKJÆR: Ja, das stimmt. Aber ich glaube, der LWB ist nach wie vor wichtig. Bei uns in Dänemark zum Beispiel sind wir zwar eine Mehrheitskirche, aber wir schrumpfen. Das ist ähnlich bei allen Kirchen im globalen Norden, während die Kirchen im Süden der Welt derzeit wachsen. Wir brauchen den LWB, um dieser dieser inspirierende Körper zu sein, der den Kirchen hilft, die vielleicht nicht viel Geld haben. Es gibt etwas ausdrücklich Lutherisches in unserer Theologie. Für Luther war es zentral, dass der Mensch befreit ist durch die Gnade Gottes. Das zu hören, ist genau das, was die Menschen überall auf der Welt heute zu hören nötig haben.

Aber ist das neu?

HENRIK STUBKJÆR: Wir sind zugleich gegen neue Arten der Theologie, die uns heute wieder weismachen wollen, dass wir für die Erlösung zahlen müssen. Luthers Idee war, dass jedes menschliche Wesen durch die Liebe Gottes freigesetzt wird. Das bedeutet, dass wir nicht nur frei sind, auf uns zu achten, auf uns und unser Tun, etwa ob wir gut genug sind, sondern wir können uns aufrichten, können in die Augen unserer Nachbarn und auf ihre Nöte schauen.

77 Millionen Gläubige 

Das kann auch von Organisationen wie dem Weltkirchenrat geleistet werden. Warum brauchen wir eine spezifisch lutherische Weltorganisation?

HENRIK STUBKJÆR: Weil Luthers Gedanken noch heute relevant sind, und wir müssen sie weiter ergründen. Nun profitieren wir von den verschiedenen Kontexten, in denen es lutherische Kirchen gibt. Bei unseren gemeinsamen Gottesdiensten inspirieren uns die unterschiedlichen Lieder, Gebete und Interpretationen des Evangeliums.

Aber ist das dann anders als bei anderen evangelischen Konfessionen?

HENRIK STUBKJÆR: Ja, es gibt schon Besonderheiten, die uns verbinden. Aber zugleich arbeiten wir ökumenisch an dem einen Leib, dem einen Geist und der einen Hoffnung. In der Ökumene sind wir weiter aktiv. Und wenn Sie die Mennoniten oder Methodisten fragen würden, würden die das Gleiche sagen.

Jetzt haben rund 300 Delegierte rund sieben Tage an der Abschlusserklärung der LWB-Vollversammlung vergangene Woche in Krakau gearbeitet. Aber diese Erklärung ist so vorsichtig geworden, dass sie niemandem mehr weh tut, aber auch nicht mehr wirklich interessant ist für viele. Ist das nicht ein Widerspruch?

HENRIK STUBKJÆR: Da würde ich Ihnen widersprechen. Ich glaube, die Menschen sind daran interessiert. Wenn Sie in den globalen Süden gehen, wächst die Kirche dort schnell. Im LWB sind nun 77 Millionen Gläubige, das sind rund vier Millionen Menschen mehr als bei der letzten Generalversammlung. Ein Beispiel ist auch Dänemark, das als eines der säkularsten Länder der Welt gilt: Wir haben gerade in meiner Landeskirche mehr als zwei Millionen Euro erhalten, da eine der führenden Reedereien der Welt, Maersk, die Kooperation zwischen den Kirchen und den Kommunalverwaltungen stärken wollte, gerade weil wir als Kirchen an der Basis, in jedem Ort präsent sind, während die Verwaltungen das nicht mehr leisten können. Sie sind jetzt entfernter von den Leuten, wir dagegen sind bei den Menschen auf lokaler Ebene. Wir helfen Kindern mit speziellen Problemen, auch einsamen und alten Menschen. Das wird mittlerweile anerkannt von Stiftungen und der Zivilgesellschaft.

Sollte diese Arbeit nicht vom Staat geleistet werden, nicht von der Kirche?

HENRIK STUBKJÆR: Ja, aber es macht einen Unterschied, ob Sie als ein Freiwilliger zur Stelle sind oder als jemand, der bezahlt wird. Ich bin sehr für die Verantwortung des Staates und der ganzen Gesellschaft, aber es ist dennoch viel besser, wenn wir zusammenarbeiten. Der Bürgermeister meiner Stadt kam neulich zu mir und sagte zu mir: „Ist Ihnen klar, dass Kliniken ihre Patienten um zehn Uhr abends nach Hause schicken?“ Wie sollen wir damit umgehen? Und warum erzählt er mir das? Wahrscheinlich, weil sich in unseren Gemeinden Freiwillige finden, die bereit sind, solchen Menschen etwas Milch und Butter zu kaufen, bevor sie nachts nach Hause kommen.

Von unten nach oben

Aber war es nicht ein schlechtes Zeichen, dass nur wenige nicht-kirchennahe Medien von der Versammlung in Krakau berichtet haben?

HENRIK STUBKJÆR: Ja, das stimmt. Daran müssen wir arbeiten. Immerhin, die dänischen Medien waren dieses Mal sehr aktiv.

Weil Sie als Präsident des LWB gewählt wurden.

HENRIK STUBKJÆR: Ja, das war für sie eine Story. Sie als Journalist wissen: Wir müssen da schon was auf den Tisch bringen.

Genau, und wenn die Abschlusserklärung so vorsichtig ist und vor allem sagt, alles sollte gut sein, dann ist das etwas schwierig, oder?

HENRIK STUBKJÆR: Ja, aber der LWB ist eben keine Organisation, die von oben nach unten organisiert ist. Als lutherische Kirchen arbeiten wir von unten nach oben. Wir treffen hier nicht im Namen unserer Kirchen Entscheidungen und stecken sie dann in die Köpfe unserer Kirchen und Gesellschaften. Aber wir diskutieren miteinander, wir geben diesen Raum. Ich weiß, dass es zum Beispiel für unsere weiblichen Delegierten in Afrika wichtig ist, dass wir eine klare Aussage treffen in Sachen Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit. Das können sie dann in ihren Gemeinden sehr gut nutzen.

Es scheint mir dennoch so, dass mit diesem Papier einfach jeder zufrieden sein kann – aber es fehlt die klare Botschaft.

HENRIK STUBKJÆR: Aber wenn Sie zum Beispiel unsere Stellungnahme zum Ukrainekrieg anschauen, dann wird es eine Seite geben, die darüber nicht so glücklich ist.

Lassen Sie mich raten, welche das sein könnte.

HENRIK STUBKJÆR: Das ist ziemlich klar.

Gegen das Völkerrecht

Es wurden hier in Krakau über 20 Papiere und Stellungnahmen veröffentlicht. Aber sind diese Erklärungen nicht vor allem nur in der Kirchenblase wichtig, wobei angesichts der hohen Kosten die Wirkung außerhalb etwas schwach ist?

HENRIK STUBKJÆR: Gleichzeitig hatte ja auch die UN in New York ihr Treffen. Wir haben hier vier öffentliche Stellungnahmen veröffentlicht, etwa eine zum Krieg in der Ukraine, eine zum Thema Israel-Palästina, eine zum Thema Gewalt gegen Minderheiten in Asien. Diese gingen als eine Nachricht von uns an die UN, und wir bringen diese Stellungnahmen auch in unsere Heimatländer, um sie dort den Medien mitzuteilen. Und die 18 Resolutionen aus Krakau werden die Arbeitsfelder des LWB in den kommenden Jahren sein. Das ist die Aufgabe des neuen LWB-Rates und von mir: Wie können wir dies in den Kirchen und Gesellschaften implementieren? Wie können wir die prophetische Stimme in den Gesellschaften sein?

Es gab eine Resolution über die Lage der Christen im Heiligen Land, aber das Papier war vor allem ein Appell gegen die Besetzung des Westjordanlandes durch Israel. Warum haben die palästinensischen Delegierten mit ihrer Sicht der Lage immer so viel Einfluss auf die Papiere? Missbrauchen sie die LWB-Versammlungen für ihre Zwecke?

HENRIK STUBKJÆR: Nein, das glaube ich nicht. Das ist eben ihre Plattform, um zu äußern, was sie jeden Tag erfahren müssen. Es ist schwierig für sie, sie leben unter Besatzung. Es ist schwer für sie, das zu äußern, was wirklich passiert. Wir sind aktiv im Heiligen Land seit 1947, seit unserer Gründung. Wir wurden auch gegründet, um in den damaligen Flüchtlingslagern zu helfen. Ich war in Israel und Palästina, auch im Auguste-Viktoria-Hospital in Jerusalem. Es ist das mordernste Krankenhaus für Krebschirurgie in der palästinensischen Gesellschaft. Und es ist gegen alle internationalen Übereinkünfte, was derzeit in Israel passiert.

Sie meinen, was die israelische Regierung derzeit tut?

HENRIK STUBKJÆR: Ja, sie bauen neue jüdische Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, was gegen das Völkerrecht verstößt. Aber sie machen weiter. Und wer will für die Palästinenser die Stimme erheben?

Also brauchen die Palästinenser eine Kirchenversammlung, um zu bestärken, was sie die ganze Zeit schon denken?

HENRIK STUBKJÆR: Ja, sie brauchen eine öffentliche Stimme, und wir können sie ihnen geben. Aber wir geben auch eine Stimme für die Menschen in Israel, die in dieser Frage genau unserer Meinung sind.

Streitthema Homosexualität

Wenn man in Krakau durch die Straßen ging, hat man kaum realisiert, dass hier die große LWB-Versammlung stattfand. War es nicht ein seltsames Zeichen, dass es nur eine Demonstration von Jugenddelegierten innerhalb des Kongresszentrums gab, nicht außerhalb? Das war ein wenig absurd.

HENRIK STUBKJÆR: Da haben Sie in gewisser Weise recht. Aber ich war gleichwohl froh, dass diese Kundgebung stattgefunden hat, wenn auch nur innerhalb der Kongresshalle. Ich war 2009 verantwortlich für die Aufnahme von Kirchengästen beim COP 15 in Kopenhagen. Das waren damals 2.000 Delegierte. Zur nächsten Konferenz haben wir als LWB dann Jugenddelegierte entsandt. Ich hoffe, dass wir die Zahl der Jugenddelegierten bei Klimaaktionsplänen erhöhen und alle Kirchen um dieses Thema vereinen können, um dann eine öffentliche Demonstration machen zu können.

Hatten die Jugenddelegierten Angst vor der Welt da draußen? Warum demonstrierten sie nicht auf der Straße?

HENRIK STUBKJÆR: Das müssten Sie die jungen Leute fragen. Man muss ja die Demonstrationen im öffentlichen Raum anmelden, und vielleicht ist das nicht so einfach in Polen. Aber die Jugenddelegierten haben ja Maßnahmen zum Klimaschutz eingefordert, ebenso Raum in den Gremien, in denen Entscheidungen getroffen werden. Immerhin haben wir in den LWB-Entscheidungsgremien eine Jugendquote von 20 Prozent. Das haben wir weder in Dänemark, noch haben Sie es in Deutschland. Es wäre also der erste Schritt für uns, auf unsere Realität zuhause zu schauen.

Es gibt im LWB keinen Konsens zur Frage der Ehe für alle. Manche LWB-Kirchen praktizieren die so genannte Homosexuellenehe, andere nicht. Warum schließt der LWB die Kirchen nicht aus, die gegen die Homoehe sind?

HENRIK STUBKJÆR: Weil wir eben keine Von-oben-nach-unten-Organisation sind, im Gegenteil. Wir kommen aus so verschiedenen Kontexten, auch bei der Konferenz in Krakau. In manchen Ländern ist Homosexualität gesetzlich verboten.

In manchen Staaten kann es sogar mit der Todesstrafe bestraft werden.

HENRIK STUBKJÆR: Ja, man kann dafür ins Gefängnis kommen, sogar die Todesstrafe erhalten. Wir können als Kirchengemeinschaft gemeinsam festhalten, dass die Würde aller Menschen, die nach dem Bilde Gottes geschaffen sind, immer gewahrt werden muss. Wir verurteilen jegliche Form von Gewalt, unabhängig davon, wie wir als Kirchen oder als Einzelpersonen über die Themen Familie, Ehe und Sexualität denken. Aber es ist natürlich ganz einfach für uns, wenn man zum Beispiel aus den nordischen Staaten kommt, zu fordern, dass sich der LWB in seiner Abschlusserklärung klar für die Rechte von Homosexuellen aussprechen sollte. Aber wie sollen sich die Delegierten aus den Ländern verhalten, wo das verboten ist, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren? In Ländern, wo man ins Gefängnis oder getötet werden kann, wenn man darüber redet. Das wäre kontraproduktiv.

Es wäre wohl auch gefährlich.

HENRIK STUBKJÆR: In Malaysia gab es vor kurzem auf einem Festival ein großes Konzert mit einer westlichen Band. Als ein öffentliches Statement für Homosexualität hat der Frontsänger dabei den Gitarristen auf der Bühne auf den Mund geküsst. Daraufhin wurde das Festival aufgelöst. Und wer das am meisten bedauert hat, das war die LGBTQ-Community in Malaysia. Denn dieser Vorfall wurde von den islamistischen Parteien in Malaysia sofort für ihre Zwecke genutzt. Es gab Wahlplakate mit einem dezenten muslimischen Ehepaar auf der einen Seite und dem Bild des Kusses auf der anderen Seite. Mit der Aussage: Welches Malaysia wollen Sie in der Zukunft?

Fortschritte bei Frauenordination

Das Argument dagegen ist aber, dass der LWB in manchen Situationen auch prophetisch sein muss.

HENRIK STUBKJÆR: Wir haben als LWB die so genannte „Emmaus-Methode“ entwickelt, was bedeutet: Wie gehen zusammen und sprechen miteinander. Und übrigens war es noch vor wenigen Jahren unmöglich, in Deutschland über homosexuelle Partnerschaften zu sprechen. Aber das machen wir heute. Wir müssen geduldig sein. Wir müssen miteinander sprechen und zuhören.

Doch die Emmaus-Apostel der Bibel gingen und sprachen nicht nur miteinander, sie kamen am Ende auch an ein Ziel.

HENRIK STUBKJÆR: Ja. Aber es gab Fortschritte etwa bei der Frauenordination, in den letzten 20 Jahren. Es ist meine Aufgabe, als LWB-Präsident sicherzustellen, dass jede Stimme gehört wird.

Hier in Europa, in Riga, hat die Lutherische Kirche von Lettland die Frauenordination sogar wieder rückgängig gemacht.

HENRIK STUBKJÆR: Ja, und das bedauere ich.

Die Mitgliedschaft dieser Kirche im LWB könnte suspendiert werden, ohne Gefahr für die Christen dort.

HENRIK STUBKJÆR: Wenn Sie theologisch arbeiten, wissen Sie, dass das nicht so einfach ist. Es gibt nicht nur einen Weg und eine Wahrheit. Wir müssen auch auf den Kontext und unsere jeweiligen Gesellschaften schauen. Ich bedauere die Entscheidung der Letten, aber wir behalten sie im LWB und reden weiter mit ihnen. Wir reden mit ihnen über Gleichheit, über den Segen, den Pastorinnen für unsere Kirchen gebracht haben.

Glauben Sie, die Letten werden ihre Meinung in dieser Frage erneut ändern, obwohl sie doch die Frauenordination erst vor wenigen Jahren wieder abgeschafft haben?

HENRIK STUBKJÆR: Ich bin nicht die Person, die den Letten zu sagen hat, dass sie ihre Position ändern sollen. Änderungen finden nicht statt, während wir sprechen, sondern zwischendrin, also in den Momenten, wenn wir nach Gesprächen wieder allein sind und über das Gehörte nachdenken. Dann kommen wir vielleicht zu neuen Gedanken.

Fehlende Mitgliedsbeiträge

Wie viele Mitgliedskirchen zahlen ihre Beiträge nicht an den LWB?

HENRIK STUBKJÆR: Ich glaube, es sind etwa 40 Prozent.

Und ist das in Ordnung?

HENRIK STUBKJÆR: Nein, nein. Ich finde das nicht in Ordnung. Natürlich müssen wir darüber reden. Es geht hier auch um das Engagement, das Commitment. Wir sind in der gleichen Gemeinschaft. Wer in einer Gemeinschaft ist, muss sich einbringen. Die Beiträge werden nach einem fairen Mitgliedsbeitragsprinzip berechnet und berücksichtigen das Vermögen jeder Kirche im Verhältnis zu anderen Mitgliedskirchen sowie Faktoren wie ihre Größe und den Wohlstandsindex des Landes. Wir müssen mit den nicht zahlenden Kirchen sprechen und sie fragen, warum sie nicht zahlen. Ist der Beitrag zu hoch, können sie ihn nicht zahlen? Dann sollten wir den Beitrag senken. Denn es ist auch eine Frage der Würde: Ihr seid hier mit dem gleichen Recht wie wir. Wir haben unseren Beitrag geleistet.

Den Beitrag zu zahlen ist einfacher für die dänische Kirche, weil bei ihr doch das Parlament in Kopenhagen einen Großteil des LWB-Beitrags zahlt, oder?

HENRIK STUBKJÆR: Nein, das Parlament glaubt nur, es sei sein Geld. Das liegt am dänischen Kontext: Die dänische Kirche erhält etwa 100 Millionen Euro vom Staat, und das Geld wird vor allem verwendet zur Finanzierung der Gehälter der Pastoren in Dänemark. Aber dafür kümmern wir uns um alle Kirchen im Land, nicht zuletzt um die historischen. Die Kirche organisiert auch die staatliche Anmeldung von Zugezogenen. Die Kirche bringt etwa so viel Geld selbst auf, wie sie vom Staat erhält.

Natürlich ist es für die armen Kirchen im Süden schwerer, ihre Beiträge aufzubringen.

HENRIK STUBKJÆR: Ja, uns fällt das natürlich als reiche Kirche des Nordens leichter. Einige der nicht zahlenden Kirchen im Süden sind junge, kleine Kirchen und neue LWB-Mitglieder. Viele von ihnen leben unter harten Bedingungen, zum Teil im Krieg. Das ist schwer.

Manche von diesen Kirchen werden auch in ihrem Land diskriminiert.

HENRIK STUBKJÆR: Ja, wir müssen also da genau hinschauen und mit ihnen reden: Wie können wir euch helfen? Könnt ihr vielleicht zu euren Partnerkirchen im Norden gehen? Oder zu den Missionswerken, die sie unterstützen? Wenn ich gleich viel zahle, kann ich in den Versammlungen mit dem gleichen Recht aufstehen und meine Stimme erheben.

Das ist recht logisch.

HENRIK STUBKJÆR: Ja, das ist es. Wir wollen diese Kirchen ja an Bord haben. Ich gebe Ihnen gleichwohl Recht, wir müssen mit diesen Kirchen reden.

Es könnte ja auch eine postkoloniale Attitüde sein, für diese Kirchen des Südens einfach zu zahlen.

HENRIK STUBKJÆR: Genau. Wir halten diese Kirchen in der alten Tradition, dass wir diejenigen sind, die zahlen und sie empfangen. Das ist nicht angemessen. Wir müssen die Sache auf den Kopf stellen. Sie haben die gleichen Rechte wie wir.

Die Vollversammlung in Krakau und die Vortreffen verschiedener Gruppen zuvor, etwa der weiblichen Delegierten, haben rund 3,2 Millionen Euro gekostet. Das ist viel Geld. Hat sich das gelohnt?

HENRIK STUBKJÆR: Das ist viel Geld. Aber man kann das auch anders betrachten und sagen: Das ist der Preis für Demokratie. Natürlich sollten wir das so billig wie möglich machen, aber wenn wir wirklich Demokratie wollen, dann müssen wir alle hier sein, Auge in Auge. Das ist heute teuer, aber ich bin bereit, dafür zu zahlen.

Das Interview führte Philipp Gessler am 19. September in Krakau auf Englisch.

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Foto: LWF/Albin Hillert

Henrik Stubkjær

Henrik Stubkjær ist seit 2014 Bischof der dänischen Diözese Viborg. Zuvor war er Generalsekretär der Hilfsorganisation Danish Church Aid und Leiter des Diakon-Kollegs in Aarhus. Seit September 2023 ist er Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB).


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