pro und contra

Sollte Werbung für Alkohol verboten werden?

pro und contra
Ulrich Langenberg
Foto: jochenrolfes.de
Katja Heintschel von Heinegg
Foto: ZAW

Anders als für Zigaretten darf für alkoholhaltige Getränke noch an vielen Stellen geworben werden. Das sollte nicht so bleiben, meint Ulrich Langenberg, Geschäftsführer Politik der Bundesärztekammer. Ihm widerspricht Katja Heintschel von Heinegg,  Geschäftsführerin im Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW).

Den Gesundheitsschutz stärken

Ein Werbeverbot würde den zu hohen Alkoholkonsum in unserer Gesellschaft senken

Alkoholwerbung ist in Deutschland allgegenwärtig. Auf dem Fußballplatz, in der U-Bahn, in der Presse, auf Open-Air-Veranstaltungen, im Fernsehen, im Internet. Die Botschaft ist klar: Alkohol gehört zum Lifestyle. Er steht für Freiheit, Attraktivität und Geselligkeit. Wie wichtig den Alkoholherstellern dieses positive Image ist, zeigen die Werbeausgaben. Sie lagen im Jahr 2021 bei 584 Millionen Euro.

Dabei sind die verheerenden Folgen, die der Konsum von Alkohol haben kann, hinlänglich bekannt. Der Alkoholkonsum erhöht das Krebsrisiko und ist für die Entstehung zahlreicher weiterer Erkrankungen wie beispielsweise Leberzirrhose oder Bauchspeicheldrüsenentzündungen verantwortlich. Jahr für Jahr fordert der Alkoholkonsum in Deutschland rund 74 000 Todesopfer. Im Jahr 2021 gab es 13.628 Verkehrsunfälle mit Personenschaden, bei dem mindestens ein Beteiligter alkoholisiert war.

Zwar ist der Pro-Kopf-Konsum an Reinalkohol seit 1970 von 14,4 Litern auf 10,0 Liter Reinalkohol pro Jahr im Jahr 2020 gesunken. Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen zudem, dass der Alkoholkonsum unter Jugendlichen zurückgeht. Jedoch gilt Deutschland im internationalen Vergleich als Hochkonsumland. Laut WHO lag der weltweite Konsum von Reinalkohol im Jahr 2019 durchschnittlich bei 5,8 Litern pro Kopf, Deutschland liegt also deutlich darüber. Auch kam es laut OECD bei Jugendlichen in Deutschland besonders häufig zum Rauschtrinken. 55 Prozent der 15- und 16-Jährigen konsumierten demnach 2019 in den vergangenen 30 Tagen fünf oder mehr alkoholische Getränke mit je zehn Gramm Alkohol. Europaweit waren es 37 Prozent. Das Argument, der Alkoholkonsum unter Jugendlichen nehme ab, ist nur ein Teil der Wahrheit. Es ist weiterhin dringend notwendig, entschieden gegen den zu hohen Konsum vorzugehen.

Knapp acht Millionen Erwachsene in Deutschland konsumieren in einer riskanten Form Alkohol. Bei neun Millionen Personen liegt sogar ein problematischer Konsum vor. Knapp 300 000 Krankenhausaufenthalte gingen 2020 auf eine alkoholbedingte Erkrankung zurück. Diese Menschen und weitere vulnerable Gruppen, wie Kinder, Jugendliche und Schwangere, gilt es, in besonderem Maße durch präventive Maßnahmen zu schützen. Dazu gehört auch, die Werbung für Alkohol zu verbieten.

In der Debatte um ein umfassendes Alkoholwerbeverbot stehen aus ärztlicher Sicht zwei Aspekte im Mittelpunkt. Zum einen geht es darum, den Gesundheitsschutz zu stärken. Zum anderen sollte der Kinder- und Jugendschutz ausgebaut werden, um den Konsum in dieser besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe weiter zu reduzieren. Die bestehenden freiwilligen Jugendschutzregeln der Alkoholindustrie haben sich dabei als unwirksam erwiesen. Sie sind in erster Linie ein Zugeständnis der Hersteller, um stärkeren gesetzlichen Regelungen vorzubeugen. Werbung hat für die Alkoholproduzenten jedoch einen hohen Stellenwert, um junge Menschen als neue Kunden zu gewinnen und langfristig zu binden.

Dass Werbung wirkt, konnte durch nationale und internationale Studien belegt werden. Sie zeigen, dass Alkoholwerbung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Jugendliche mit dem Alkoholkonsum beginnen und mehr trinken, wenn sie bereits Alkohol konsumieren.

Aus ärztlicher Sicht ist ein konsequentes Werbe- und Sponsoringverbot für Alkohol nur folgerichtig. Dafür hat sich der Deutsche Ärztetag wiederholt deutlich ausgesprochen, zuletzt im Jahr 2022 in Bremen. Wird die Bevölkerung gefragt, so ist das Stimmungsbild, das im Dezember 2022 durch den Drogenbeauftragten der Bundesregierung erhoben wurde, eindeutig: 60 Prozent der Befragten wünschen sich ein generelles Werbeverbot. Zwei Drittel befürworten ein Sponsoringverbot von Fußballmannschaften und Veranstaltungen. Um diesen Wunsch zu erfüllen und den Gesundheits- und Jugendschutz zu stärken, sollte zügig ein umfassendes Alkoholwerbeverbot umgesetzt werden. 


Alkoholwerbung sorgt nicht für mehr Konsum alkoholischer Getränke

Die geltenden Regeln für Alkoholwerbung sind umfassend und ausreichend.

Diese Regeln gelten bereits: Alkoholwerbung ist verboten, wenn sie sich an Kinder und Jugendliche richtet oder missbräuchlichen Konsum anregt. Für die praktische Umsetzung und flankierende Vorgaben zum Schutz vulnerabler Gruppen und um sicherzustellen, dass kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke nicht von Verbrauchern missverstanden wird, gibt es zahlreiche gesetzliche und selbstregulatorische Vorgaben zur Bewerbung von Alkohol, die für Werbung in allen Medien gleichermaßen gilt. Diese Regeln sind nach Ansicht des ZAW umfassend und ausreichend. Es besteht kein Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers. Auch deshalb nicht, weil der Alkoholkonsum Jugendlicher seit Jahren zurückgeht und das „Einstiegsalter“ kontinuierlich steigt.

Eine Gegenüberstellung der Konsumdaten mit den Werbeausgaben zeigt, dass zwischen der Bewerbung alkoholhaltiger Getränke und dem Alkoholkonsum von Minderjährigen keine Wirkungsbeziehung besteht: Während die Ausgaben für Alkoholwerbung von 2010 bis 2018 um 12 Prozent stiegen und keine Verschärfungen der gesetzlichen Vorgaben für Alkoholwerbung erfolgten, ist der Alkoholkonsum von 12- bis 17-Jährigen um 33 Prozent gesunken. Im Jahr 2018 tranken lediglich 8,7 Prozent dieser Altersgruppe Alkohol. Im Jahr 2010 waren es noch 12,9 Prozent. Dies zeigt, dass Werbung lediglich eine schwache Wirkung auf das Konsumverhalten, insbesondere von Minderjährigen, hat. Denn: Werbung schafft Markenaffinität, nicht Konsum.

Selbstverständlich muss es das Ziel aller Akteure in der Politik sowie der Wirtschaft sein, missbräuchlichen Alkoholkonsum weiter einzudämmen. Eine evidenzbasierte Politik konzentriert sich hierzu insbesondere auf Maßnahmen, die bereits Erfolge erzielt haben: zuvorderst die funktionierenden Präventions- und Aufklärungsprogramme.

Hier übernimmt die Alkoholwirtschaft Verantwortung, zielgerichtete Präventionskampagnen wie „Don’t drink and drive“, „Maßvoll Genießen“ oder „Wine in moderation“ sind hervorzuheben. Auch bei der Werbung übernimmt die Wirtschaft Verantwortung: Die Verhaltensregeln des Deutschen Werberats zur kommerziellen Kommunikation für alkoholhaltige Getränke sorgen dafür, dass Darstellungen oder Aussagen in der kommerziellen Kommunikation nicht als Aufforderung zum missbräuchlichen Konsum alkoholhaltiger Getränke missverstanden werden können. Zudem verhindern sie, dass Alkoholwerbung als Ansprache von Kindern und Jugendlichen missverstanden werden kann. Regelmäßig führt der Werberat gemeinsam mit den Branchenverbänden Schulungen zu den Verhaltensregeln durch, um sicherzustellen, dass bereits bei der kreativen Konzeption von Werbemaßnahmen die Verhaltensregeln des deutschen Werberats beachtet werden. Mit einem auf der Website www.werberat.de abrufbaren digitalen Leitfaden werden die Verhaltensregeln zudem an Beispielen erläutert.

Ergänzend wurden zu den Verhaltensregeln im Jahr 2015 Erläuterungen veröffentlicht. Sie richten sich an Hersteller alkoholhaltiger Getränke und sollen die Anwendung des Kodex auch in den sozialen Medien sicherstellen.

Die funktionierende Werbeselbstkontrolle ist in Deutschland und auch europaweit anerkannt. Europa setzt in der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste auf die Selbstregulierung der Branche, EU-Kommission, Europaparlament und die Mitgliedstaaten haben sich dort gegen weitere gesetzliche Werbeverbote und für eine Stärkung der Werbeselbstregulierung entschieden. Auch bei der nationalen Umsetzung im November 2020 haben die dafür zuständigen Bundesländer auf den bestehenden Mix aus gesetzlichen Regelungen und funktionierender Selbstregulierung gesetzt und auf weitere gesetzliche Beschränkungen verzichtet. 

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Katja Heintschel von Heinegg

Katja Heintschel von Heinegg ist Geschäftsführerin im Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft in Berlin.


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