„Demokratie braucht Demokraten“

Gespräch mit der früheren Journalistin Elisabeth Niejahr über das Superwahljahr 2024, „strickjackige Politik“ und den Sexappeal einer Bezirksverordnetenversammlung
Blick in den leeren Ratssaal der Stadt Magdeburg.
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Blick in den leeren Ratssaal der Stadt Magdeburg.

zeitzeichen: Frau Niejahr, Sie sind aufgewachsen in einem christlichen Elternhaus, Ihr Vater war Pfarrer. Hatte das Auswirkungen auf Ihr Demokratieverständnis?

ELSIABETH NIEJAHR: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass das biblische Gebot der Nächstenliebe auch sehr gut mit den Werten zusammenpasst, die für eine liberale Demokratie essenziell sind. Der Respekt vor Anders­denkenden etwa, oder auch die Unhinterfragbarkeit der Menschenwürde, und zwar unabhängig von Status, Geschlecht oder Herkunft. Da gibt es eine Verbindungslinie, übrigens auch bei vielen Politikern und Politikerinnen, die auch durch ihren Glauben oder eine kirchliche Sozialisation zu ihrer politischen Arbeit motiviert werden. Denken Sie etwa an Andrea Nahles, Manuela Schwesig, Annette Schavan, Herrmann Gröhe, Ursula von der Leyen, Angela Merkel …

War das bei Ihnen auch so? Sie haben lange Zeit als Journalistin für die politische Meinungsbildung und für die Demokratie gearbeitet.

ELSIABETH NIEJAHR: Bevor ich lesen konnte, kannte ich schon viele Bibelzitate, die auf die Macht von Werten und Idealen abzielen, etwa „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Das ist sicher eine lebenslängliche Prägung, die sich in meiner journalistischen Arbeit niedergeschlagen hat. Eine Stiftung, die sich dem Thema Demokratie verpflichtet fühlt, ist aber auch kein schlechter Ort für Leute wie mich.

Sie leiten seit vier Jahren den Bereich „Demokratie stärken“ der Hertie-Stiftung. Ist die Demokratie heute gefährdeter als damals?

ELSIABETH NIEJAHR: Objektiv schon, etwa mit Blick auf die gestiegene Zahl der Menschen weltweit, die nicht in einer Demokratie leben. Subjektiv war aber damals schon die gefühlte Bedrohung der Demokratie, die ja ohnehin schwer messbar ist, ähnlich ausgeprägt wie heute. 2019, als ich mich zu diesem Schritt entschied, war die öffentliche Debatte sehr stark geprägt durch die Trump-Wahl, durch den Brexit, durch die ersten Wahlerfolge der AfD. 

Und nun müssen wir mit Trumps Wiederwahl und noch mehr Stimmen für die AfD rechnen.

ELSIABETH NIEJAHR: Wir erleben gerade einen absoluten Stresstest für die Demokratie. In diesem Superwahljahr ist die Demokratie vielfältig herausgefordert, unter anderem durch die Wahl in den Vereinigten Staaten, aber auch in Indien, was nicht viele auf dem Schirm haben. Mit Blick auf die Europawahl bin ich jetzt in der ersten Jahreshälfte 2024 wieder etwas optimistischer als in der Weihnachtszeit, denn wir erleben gerade in Deutschland eine starke demokratische Bewegung und vielerlei Initiativen aus der Zivilgesellschaft. Es wird in den kommenden Wochen aber sehr darauf ankommen, dass die Menschen nicht nur über die Krise der Demokratie reden, sondern ihr Wahlrecht auch wirklich nutzen. Gerade auch junge Menschen ab 16, die ja bei der Europawahl zum ersten Mal dabei sind.

Für die Landtagswahlen in Ostdeutsch­land werden der AfD große Gewinne vorhergesagt. Viele sehen das als Zeichen für ein Demokratiedefizit durch 40 Jahre sozialistische Diktatur. Sie auch?

ELSIABETH NIEJAHR: Ausdrücklich nein. Diese Einschätzung halte ich auch für vermessen. Ich tue mich sehr schwer damit, verallgemeinernd über die Ostdeutschen zu sprechen und ihnen bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben. Immerhin waren es Ostdeutsche, die sich in der ehe­maligen DDR unter persönlichen Risiken für die Demokratie eingesetzt haben. Sicher ist aber, dass in Ostdeutsch­land die Zivilgesellschaft deutlich schwächer ausgeprägt ist, sie muss unterstützt werden. 

Wie kann das geschehen?

ELSIABETH NIEJAHR: Zum Beispiel so, wie es die Initiative Zukunftswege Ost tut. Sie sammelt Geld bei Stiftern und Unternehmern in ganz Deutschland ein, um gezielt in den Neuen Bundesländern zu investieren. Es gibt im Osten einfach weniger Erbschaften und weniger Vermögen, und das schlägt sich zum Teil eben auch in geringeren Ressourcen für zivilgesellschaftliche Akteure nieder.

Aber wird neues Geld aus dem Westen das Grundgefühl verändern, von West­deutschland übernommen worden zu sein? Keine Experimente, Marktwirtschaft, Grundgesetz – alles wie im Westen, ohne wirklich darüber entschieden zu haben. Das hat doch eine Distanz zum parlamentarischen System Bonner Prägung erzeugt, oder?

ELSIABETH NIEJAHR: Ich würde das anders beschreiben. In den so genannten neuen Bundesländern haben die Menschen die Erfahrung gemacht, dass man ein politisches System abschütteln kann, dass jede politische Ordnung endlich ist und morgen die Karten wieder ganz neu gemischt werden können. Das er­mutigt einige, das System grundsätzlich in Frage zu stellen. Richtig ist aber auch, dass viele Menschen im Osten Deutschlands Politikern und vor allem Parteien generell mit viel größerem Misstrauen begegnen. Das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass es in der DDR viele scheindemokratische Institutionen gab und der Opposition nicht viel zugetraut wurde. Und das Misstrauen gegenüber den Medien ist ebenfalls größer. Wer über Jahrzehnte Medien vor allem als Ort der Pro­­paganda erlebt hat und die Wahrheit in der Zeitung mit der Lupe suchen musste, begegnet Journalis­mus wahrscheinlich grundsätzlich mit einer großen Skepsis. 

War es damals ein Fehler, dass wir nicht eine gemeinsame neue Verfassung geschrieben haben, sondern das Grund­gesetz einfach übernommen wurde? Hätte das vielleicht etwas verändert? Würde es jetzt noch etwas verändern?

ELSIABETH NIEJAHR: Wir haben ein sehr, sehr gutes Grundgesetz. Es ist gut, an so etwas nicht zu rühren und stabile Institutionen, die man hat, als fix zu betrachten. Man hat ja zum Beispiel in den USA gesehen, dass die Verfassungsinstitutionen auch unter widrigen Bedingungen funktionieren und zu einer Stabilisierung einer Demokratie sehr viel beitragen können. Ich habe großen Respekt vor den Vätern und Müttern des Grund­gesetzes, die so ein Werk in einer Zeit, in der Deutschland teilweise noch in Trümmern lag, hervorgebracht haben. Aber vielleicht ist es wirklich unglücklich, immer von „75 Jahren Grund­gesetz“ zu sprechen. Das blendet mal wieder die erlebte Geschichte der Ostdeutschen aus. 

Aber auch die ist ja bei den meisten weniger mit Verfassungsparagrafen als mit emotionalen Erinnerungen verbunden. Um da ein Gegengewicht zu schaffen: Müsste Demokratie nicht eigentlich emotionaler und charismatischer sein, als sie es jetzt ist?

ELSIABETH NIEJAHR: Emotionaler? Da bin ich skeptisch. Unsere Debatten sind derzeit emotional so aufgeladen, voller Wut, manchmal Hass. Das dient selten dem Erkenntnisgewinn. Ich wünsche mir eher Versachlichung, Gelassenheit und kühle Analysen. Wir brauchen aufklärerische Tugenden, um in der Demokratie gut zurechtzukommen. Könnten unsere Politiker trotzdem etwas charis­matischer sein? Im Zweifel ja, auch hier haben wir es sicher mit einem historischen Erbe zu tun. Der große Auftritt der charismatischen Per­sönlichkeit mit brillanter Rhetorik stand bei uns lange unter Pauschal­verdacht und wurde schnell mit Goebbels und Propaganda assoziiert. Das führte in Deutschland zu einer Strickjackisierung der Spitzen­politik. Helmut Kohl, Kurt Beck, Angela Merkel, Olaf Scholz – ich sehe da eine Linie. Die Deutschen suchen andere Qualitäten bei ihrem Spitzenpersonal als Glamour und die Neigung zur großen, glanzvollen Geste. 

Andererseits ist ein Streit auf hohem rhetorischem Niveau ja auch ein kultureller Genuss …

ELSIABETH NIEJAHR: … und eine wichtige Tugend in einer demo­kratischen Gesellschaft. Deshalb gehört Rhetorik auch in die Schule. Die Hertie-Stiftung hat vor 20 Jahren den Wettbewerb „Jugend debattiert“ gegründet, an dem sich mittlerweile knapp 1 500 Schulen und 200 000 Jugendliche pro Jahr beteiligen. Da geht es auch nicht nur ums Reden, sondern auch ums Zuhören, zu lernen, andere Meinungen auszuhalten, es geht um Ambiguitäts- und Frustrationstoleranz und vor allem um den Perspektivwechsel. Die Jugendlichen debattieren nach dem Anwaltsprinzip, es wird ausgelost, welche Meinung sie zu vertreten haben. Das macht natürlich was im Kopf, wenn man das immer wieder übt.

Ein anderes Ihrer Programme zur Demo­kratie­förderung will Menschen für den Politikberuf begeistern, aber auch Verständnis für Politiker und Politiker­innen vermitteln. Wie wollen Sie das erreichen?

ELSIABETH NIEJAHR: Wir laden ganz unterschiedliche Gruppen in Workshops ein, etwa Menschen, die in die Kommunalpolitik wollen, oder auch Alleinerziehende, weil sie einfach aus Zeitmangel oft unterrepräsentiert sind. Wir haben das mit Wissenschaftlern gemacht, mit Menschen mit Migrations­geschichte und holen demnächst noch junge Menschen als Zielgruppe dazu. Denn es gibt eine große Diskrepanz zwischen dem Wunsch, politisch gestalten zu wollen, und der Bereitschaft, das in einer Partei zu tun. Ohne die Parteien geht es nicht. Aber sie müssen einladender werden, familienfreundlichere Formate schaffen, die kommunale Ebene stärken. 

Was machen Sie mit den Menschen in den Workshops?

ELSIABETH NIEJAHR: Wir schulen die­jenigen, die sich vorstellen können, ein Mandat zu übernehmen und vielleicht noch eine letzte Ermutigung und Inputs dazu brauchen. Die bekommen sie, etwa von Professoren von der Hertie-School, die theoretischen Überbau liefern. Aber wir beschäftigen uns auch mit Social-Media-Kommunikation und politischer Kultur, zum Beispiel dem Umgang mit Fehlern. Wir haben zu Corona-Zeiten eine Fehlerkultur-Challenge organisiert: Politiker haben in Kurzvideos über Fehler, die sie gemacht haben, gesprochen und dann jeweils jemand anderes nominiert, der weitermachen sollte. Diese Videos haben fünfstellige Abrufzahlen erreicht. Das haben wir weiterentwickelt zu „FuckUp-Nights“ für Demokratie, inzwischen eine ganze Serie in vielen Städten mit Hunderten von Zuschauern. Da haben wir ein innovatives politisches Format mit auf den Weg gebracht. 

Sie gehen auch in die Betriebe und bieten dort Schulungen an. Dabei geht es ja dort nicht immer demokratisch zu, und das akzeptieren wir. 

ELSIABETH NIEJAHR: In vielen Be­reichen der Gesellschaft wird nicht demokratisch agiert, nicht nur in Betrieben, sondern auch in der Familie, in der Schule und vielen anderen Lebensbereichen sind wir ständig mit Entscheidungen konfrontiert, die nicht demokratisch zustande kommen. Insofern stimme ich Ihnen zu. Gleichzeitig sind Betriebe Orte, an denen zumindest der berufstätige Teil der Bevölkerung wahnsinnig viel Zeit verbringt und wo sehr unterschiedliche Menschen zusammenkommen. Deswegen können dort Pluralismus, Vielfalt, Toleranz und gutes Streiten geübt und praktiziert werden. Und wenn ein Unternehmen mit seiner Kultur dazu beiträgt, dass demokratische Tugenden angewendet werden und vielleicht auch noch ein bisschen zu Zivilcourage ermutigt, dann zahlt das auf die ganze Demokratie ein. Denn Demokratie funktioniert nicht nur durch gute Institutionen. Eine Demokratie braucht Demokraten – Menschen, die demokratische Werte verinnerlicht haben und leben wollen. Da können Arbeitgeber einen wichtigen Beitrag leisten. 

Sie haben lange als Journalistin bei sehr renommierten Medien gearbeitet. Jetzt schauen Sie von außen darauf. Machen die Medien einen guten Job als Vermittler und Wächter der Demokratie? 

ELSIABETH NIEJAHR: Medien sind gleichermaßen Teil der Lösung wie Teil des Problems. Ich fühle mich dem Journalismus immer noch so nahe, dass ich in erster Linie mit ganz viel Loyalität und Bewunderung für viele Journalisten und Journalistinnen auf die Branche blicke. Gerade für diejenigen, die berichtend ihren Job machen unter erschwerten Be­dingungen. Ich sehe gleichzeitig, wie sehr die Branche unter Druck ist. Das größte Defizit im Journalismus im Moment ist, dass es in vielen Orten keine Lokalberichterstattung mehr gibt. Demokratie wird besser, wenn kritische Journalisten hinsehen, auch auf kommunale Vorgänge. Es ist wichtig, dass die Menschen in den Kommunen ihren Abgeordneten oder ihr Ratsmitglied kennen und wissen, was diese tun. Wenn aber erstens die Kandidaten fehlen und zweitens Berichterstattung, ist es wirklich ein Alarmsignal. 

Wie bewerten Sie den Nutzen von Social Media für die Demokratie?

ELSIABETH NIEJAHR: Social Media werden von der Opposition in Teheran genutzt, um die Weltöffentlichkeit auf ihre Themen aufmerksam zu machen. Das ist ein klarer Nutzen für die Demokratisierung. Und gleichzeitig nutzen rechtsextreme Trolle diese Kanäle, um ihre Meinung unter das Volk zu bringen. Die KI wird diese Spannung noch verstärken. Wir sind in einem historischen Wettlauf: Wird die KI für noch mehr Desinformation sorgen durch gefakte Videos, oder wird die Bevölkerung ihre Medienkompetenz stärken, so dass diese Desinformation am Ende nicht gelingt? Dieses Rennen scheint mir noch nicht entschieden zu sein.

Damit sind wir beim Thema Demokratie als Bildungsaufgabe. 

ELSIABETH NIEJAHR: Und da gibt es Riesendefizite. Umfragen zufolge sehen Schulleiter und Schulleiterinnen Demokratie als absolutes Topthema. Aber wenn sie dann gefragt werden, wie viel Zeit sie im Schulalltag diesem Thema widmen, steht das in keinem Verhältnis zu der erklärten Wichtigkeit des Themas. Dabei haben wir durch den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung jetzt ein historisches Fenster der Möglichkeiten, das wir nutzen sollten. Im Lebensraum Schule verbringen nun auch junge Kinder mehr Zeit. Das ist eine gute Gelegenheit, sich in Projektwochen oder nachmittags im Hort mit Fragen der Demokratie zu beschäftigen. Ich würde mir vor allem wünschen, dass Schüler viel mehr über die Kommunalpolitik lernen. 

Warum?

ELSIABETH NIEJAHR: Kommunalpolitik steht oft unter Piefigkeitsverdacht. Ich finde sie besonders relevant. Denn Entscheidungen, die im Rathaus gefällt werden, wirken oft viel direkter in 
das Leben der Menschen hinein als viele bundespolitische Debatten. Aber für diesen Blick muss man werben. Dass die Menschen mittlerweile schrumpelige Brandenburger Äpfel schöner finden als einen glatten Granny Smith, ist ja auch nicht vom Himmel gefallen. Könnte man nicht auch die schrullige Bezirksverordneten­versammlung sexy finden? Wo kann man sonst gut politisch gestalten wie auf kommunaler Ebene? Trotzdem gibt es unheimliche Barrieren zwischen Schulen und Kommunalpolitik. Wir versuchen aber, diese Welten zusammenzubringen.

Sie beziehen sich auf das Projekt ihrer Stiftung, bei dem Jugendliche tatsächlich Entscheidungen treffen dürfen in Kommunen, wenn sich die Kommunen dazu bereit erklären.

ELSIABETH NIEJAHR: Nicht nur das. Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen müssen sich mit einem Video persönlich um die Teilnahme bewerben. Denn wenn der Chef einmal seine Nase für ein Projekt hingehalten hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch groß, dass er hinterher auch für dessen Durchsetzung sorgt. Es ist wirklich immer wieder anrührend zu sehen, was die Kommunen sich dazu alles einfallen lassen. Wir hatten zum Beispiel einen Bürgermeister als Bewerber, der hat sich an seinen dicken Bürgermeister­schreibtisch gesetzt, und zwar mit den Füßen nach oben, und den Jugendlichen zugesagt, dass sie in der Gemeinde alles auf den Kopf stellen dürfen, wenn sie wollen. 

Wollen die Jugendlichen das denn auch?

ELSIABETH NIEJAHR: Das ist sehr unterschiedlich. Wenn die Kommune wenig Geld hat, geht es manchmal um eher kleine symbolische Dinge. Oft sind es Ökothemen, von der Blühwiese bis zu Aufforstungsprogrammen, manchmal agieren die Jugendlichen auch in eigener Sache und sorgen für einen neuen Bolzplatz oder einen Skater-Park. Aber es gibt auch Kommunen, die jüngere Menschen in Sanierungsprogramme für die ganze Stadt einbinden. Ein Bürgermeister hat mal gesagt, die Jugendlichen brächten ganz ähnliche Themen nach vorne wie der Seniorenbeirat. Denn beide Gruppen verbringen besonders viel Zeit im öffentlichen Raum, weshalb sie oft ein besonders gutes Gespür für dessen Gestaltung besitzen. Und das ist in der Demokratie ein wichtiges Thema. Es geht am Ende also gar nicht nur um ein pädagogisches Projekt, bei dem die Jugendlichen ein bisschen üben dürfen. Die Kommunalpolitiker und die Jugendlichen profitieren voneinander. 

Wo sehen Sie die Aufgabe der Kirchen und der kirchlichen Einrichtungen im Kampf für die Demokratie?

ELSIABETH NIEJAHR: Unter anderem darin, Menschen den Rücken zu stärken, für Schwächere einzustehen, die in diesen Zeiten besonders attackiert, ausgegrenzt werden. Es gibt nun mal Orte, mehr in Ostdeutschland als in Westdeutschland, wo rechts­extreme Gewalttätige unterwegs sind, so dass etwa für People of Color Gewalt alltäglicher geworden ist. Denjenigen den Rücken zu stärken, die in so einem Kontext für Mitmenschlichkeit einstehen, gegen Ausgrenzung, für Toleranz, das können Kirchen besonders gut. Sie können Mitglieder und die Gläubigen emotional erreichen durch die starken Werte. Ich fand es interessant, dass die Kirchen sich jetzt so deutlich gegen die AfD positioniert haben. Das hat mich auch etwas überrascht.

Positiv überrascht?

ELSIABETH NIEJAHR: Ich glaube, dass es viele Menschen in den Kirchen gibt, die Orientierung auch bei dieser Frage suchen. Gleichzeitig ist es ein Balance­akt, wenn sich Institutionen mit sehr heterogener Mitgliedschaft zur Parteipolitik äußern. Wir in der Stiftung reden ganz bewusst in diesem Diskurs darüber, wofür wir sind, und nicht, wogegen wir sind. Die Kirchen haben aber teilweise eine andere Rolle und haben gute Gründe, sich so zu verhalten, wie sie es tun. 

 

Das Interview führte Stephan Kosch am 15. März 2024 in Berlin.

 

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Elisabeth Niejahr

Elisabeth Niejahr ist seit Januar 2020 Geschäftsführerin des Bereichs „Demokratie stärken“ der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung.

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Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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