Für ein realistisches Menschenbild

Warum wir uns ein Beispiel an Gott nehmen sollten
Foto: EKM

Da überfällt in Europa im 21. Jahrhundert ein Land ein anderes, will es erobern und ihm seinen Stempel, seine Regeln, seine Kultur aufdrücken. Als Russland 2022 die ganze Ukraine überfiel, da waren die meisten überrascht. Sooo weit wird Putin nicht gehen! Er muss sich doch damit zufriedengeben, dass er die Krim annektiert hat. Heute wissen wir: Der Krieg begann bereits mit dieser Annexion im Jahr 2014.

Immer wieder verschlägt es mir die Sprache, wenn ich das höre und sehe: diese Gewaltexzesse! Wie kaltherzig und erbarmungslos der Machthaber in Russland die Strom- und Wasserversorgung bombardieren, wie systematisch-berechnender Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen und auch Kirchen und Kultureinrichtungen wie Theater und Museen zerstören lässt. Und dazu die Getreidefelder verminen, die -silos anzünden, die Wege für diesen vor allem in Afrika überlebenswichtigen Nahrungsmitteltransport sperren, den dafür wichtigen Hafen in Odessa angreifen. Alles zielt darauf, systematisch den Menschen ihre Lebensgrundlagen zu zerstören.

Angesichts dieser kalten, berechnenden Gewalt müssen wir viele unserer Ansichten korrigieren, denn wir sehen: Menschen sind so gewalttätig, so böse. Menschen treiben Krieg. Das goldene Friedenszeitalter ist noch nicht ange­brochen, auch nicht in Europa; noch nicht so, dass die Menschen Kriegsgerät in Pflanzwerkzeuge umwandeln. Vielmehr müssen wir unser Menschenbild korrigieren. Dies beginnt damit, das Böse klar zu erkennen und zu benennen – und uns an Gott ein Beispiel zu nehmen: „Der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar“ (Genesis 6,5). Gott sieht hin. Gott hat ein nüchternes Bild vom Menschen: Die Menschen sind böse.

Wie geht Gott damit um? Zunächst tut er es den Menschen gleich und bringt mit der großen Flut Tod und Verderben für alle seine Geschöpfe – bis auf Noah und alle Tierarten. Und setzt nach der großen Zerstörung eine Grenze, mit dem deutlichen Zeichen: dem Regenbogen. Mit ihm ruft Gott sich zunächst selbst immer wieder in Erinnerung: ‚Ich will Frieden mit den Menschen. Ich weiß, dass die Menschen dagegen arbeiten; ich weiß, dass das Dichten und Trachten des Menschen böse ist von Jugend auf. Davon habe ich mich noch einmal anstecken lassen und die große Flut über die Erde gebracht. Was auch immer die Menschen mit ihrer Bosheit und Gewalttätigkeit anrichten – ich, Gott, lasse mich nicht mehr dazu verleiten, meinen Friedensbund mit den Menschen zu brechen!‘

So sind wir als Gottes Ebenbilder, als Zeugin und Zeuge gerufen, es Gott gleichzutun: Menschliche Bosheit nicht verharmlosen und schönfärben, sie klar benennen, uns bewusst vom Bösen distanzieren; und wie Noah Ruhe be­wahren, Rettungsorte gegen Zerstörung schaffen, die Macht des und der Bösen zu begrenzen, aber sich nicht in eine Gewaltspirale hineinziehen lassen, vielmehr uns unter dem Regenbogen immer wieder an Gott ein Beispiel nehmen mit der bewussten Entscheidung zum Schutz der Schwachen und zum Frieden. 

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Ilse Junkermann

Ilse Junkermann ist Landesbischöfin a.D. und Leiterin der Forschungsstelle „Kirchliche Praxis in der DDR. Kirche (sein) in Diktatur und Minderheit“ an der Universität Leipzig.


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