Guter Vorsatz

Die EKD-Synode nicht mehr vor vollendete Tatsachen stellen
Foto: Rolf Zöllner

Hinterher ist man ja immer schlauer. Dass die Krisenkommunikation rund um die Ermittlung wegen sexueller Übergriffe durch einen kirchlichen Mitarbeiter im Kirchenkreis Siegen auf EKD-Ebene ziemlich daneben ging, das räumen nun alle Beteiligten ein. Das gilt auch und gerade für die interne Kommunikation mit den Synodalen auf dem Treffen in Ulm, die zu unterschiedlichen Informationsständen und entsprechend irritierenden Situationen rund um die Erklärung der zu diesem Zeitpunkt noch amtierenden Ratsvorsitzenden führte. Wer klatschte, um in schwierigen Zeiten Solidarität mit Annette Kurschus zu zeigen, wusste offenbar weniger als diejenigen, die die Hände stillhielten. So zumindest die Deutung der Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich im Nachhinein.

Gemeinsam mit der amtierenden Ratsvorsitzenden Kirsten Fehrs versprach sie nun, es künftig besser zu machen und schon bald mit den Synodalen die Gespräche nach­zuholen, die bereits in Ulm hätten geführt werden können und müssen. Zwar ist die EKD-Synode eigentlich nicht die Instanz, in der einzelne Fälle sexuellen Missbrauchs aufgearbeitet werden. Dafür sind die Landes­kirchen zuständig. Wenn aber den Verantwortlichen kurz vor der Tagung einer EKD-Synode deutlich wird, dass die Rolle der Ratsvorsitzenden in den Fokus der Berichterstattung gerät, wird aus einer landeskirchlichen Angelegenheit eben doch auch eine der EKD-Synode. Denn sie hat die Ratsvorsitzende ja schließlich gewählt.

Die Ereignisse rund um die Ulmer Treffen waren ganz besondere. Sie dürften aber nicht allein dafür verantwortlich sein, dass sich viele Synodale nicht in ihrer Bedeutung als Mitglieder eines leitenden Gremiums wertgeschätzt sehen und in die Zuschauerrolle gedrängt fühlen. Bereits zweimal wurde die 13. Synode der EKD kurz vor der Zusammenkunft im November vor voll­endete Tatsachen gestellt. 2022 verabschiedete der Rat die Klimaschutzrichtlinie, die ein Jahr zuvor aus der Synode heraus initiiert wurde und eigentlich von dieser diskutiert und verabschiedet werden sollte. In Magdeburg blieb dann nur noch die Möglichkeit, leicht nachzuschärfen.

Und auch kurz vor dem Treffen in Ulm wurden die Synodalen bei einem anderen zentralen Thema überrascht, dem Schwangerschaftsabbruch, nämlich von dem Votum des EKD-Rates, der sich auf Anfrage der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für die Herauslösung des Paragraphen 218 aus dem Strafrecht aussprach. Zwar erklärte Kirsten Fehrs, dass dies erst der Beginn einer Debatte sein soll. Doch die wird wohl kaum hinter den offiziell verkündeten Paradigmenwechsel zurückgehen können.

Der Umgang mit der Causa Kurschus durch die Spitzen der EKD hat einen Eindruck verstärkt, der bereits vorher entstand: Das Kirchenparlament wird in unangemessener Weise bei zentralen Entscheidungen und Diskussionen vor vollendete Tatsachen gestellt, die Auseinandersetzung mit den Synodalen offenbar gescheut. Und die haben das überraschend friedfertig hinge­nommen. Nun soll alles anders werden. Das ist sicher ein guter Vorsatz für das neue Jahr – und darüber hinaus.

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Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen".