Alle kennen James Joyce - zumindest von Namen. Doch kaum jemand kennt seinen etwas älteren Zeitgenossen William Butler Yeats (1865-1939) - noch nicht einmal von Namen! Damit sich das ändert, ist jetzt eine Doppel-CD mit Gedichten des irischen Poeten erschienen.
Auf der ersten CD erklingen die Werke in historisch knisternden BBC-Archivaufnahmen aus den Fünfzigerjahren und - eine besondere Kostbarkeit! - gleich zu Beginn drei Originalaufnahmen mit W. B. Yeats himself aus den Jahren 1931 und 1934. Von diesen Gedichten, im mystischen Gestus, nahe am Gesang vorgetragen, geht ein besonderer Zauber aus. Doch auch die anderen britischen Sprecher oder vielmehr Rezitatoren fesseln durch ihren energiegeladenen, vibrierenden Sprachduktus - was für ein Fest (er-)klingender Sprache!
Ergänzend dazu die zweite CD: Sie enthält dieselben Gedichte in deutscher Übersetzung, gesprochen von bekannten deutschen Schauspielern Burghard Klaußner, Hanns Zischler und andere, entstanden im modernen Tonstudio. Das merkt man, denn obwohl sie gut, ja sehr gut gelesen sind, bleiben sie hinter dem emphatischen Rezitationston der Briten zurück. Anders geht es wohl nicht, da Übersetzung von Lyrik bei aller Kunst doch immer eine Quadratur des Kreises bleibt.
Inhaltlich schlägt Yeats weite Bögen. In symbolischer, visionärer Weise dichtet er über Liebe, über Landschaft, über Stimmungen und macht sich auch historische und mythische Stoffe zu Eigen. "Ich gab meinem Lied einen Rock / Mit Stickereien besetzt / Aus alten Sagen", äußerte sich Yeats einst selbst über sein Schaffen. Eine Entdeckung!
William Butler Yeats: Poems. 2 CDs, Der Hörverlag, München 2015.
Reinhard Mawick