Falsche Freunde des Christentums

Wie der Rechtpopulismus die Religionsfreiheit in Deutschland und Europa bedroht
Kreuz in Bundesfarben bei PEGIDA-Demo
Foto: picture alliance / dpa | Kay Nietfeld
Pegida-Demo in Dresden 2014

Der Rechtpopulismus gefährdet die Religionsfreiheit auch in Deutschland. Unter anderem davor warnt der ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit weltweit, den die EKD und die Deutsche Bischofskonferenz gestern vorstellten.

Dass es um die Religionsfreiheit weltweit nicht zum Besten bestellt ist, haben in den vergangenen Jahren unterschiedliche Berichte deutlich gemacht. Nationalismus und eine fragwürdige Verquickung von politischem Machtanspruch und Religion unterdrücken in vielen Ländern Angehörige von Minderheitsreligionen oder diejenigen, die gar keiner Religion angehören wollen. Das bestätigt auch der dritte gemeinsame Bericht von evangelischer und katholischer Kirche in Deutschland zur Religionsfreiheit weltweit. Doch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die deutsche Bischofskonferenz (DBK) sehen auch in Deutschland die Religionsfreiheit zunehmend bedroht. Und das liege unter anderem an der AfD.

„Es ist zu beobachten, dass rechtspopulistische und -extremistische Kräfte in Deutschland, Europa und weltweit zunehmend versuchen, das Konzept der Religionsfreiheit und den Einsatz für verfolgte Christen für sich zu vereinnahmen. Dabei deuten sie die Begriffe 'Religionsfreiheit' und 'Christenverfolgung' dem populistischen Modell folgend um“, heißt es in dem am Mittwoch vorgestellten Bericht. So würden rechtpopulistische Parteien die Religionsfreiheit klientilistisch auslegen, sich also zu den Verteidigern des Christentums erklären und gleichzeitig etwa gegen den Islam Ressentiments schüren und ein Bild der Muslime als fremde, bedrohliche Minderheit skizzieren.  So formulierte die AfD in ihrem Wahlprogramm zue Bundestagswahl 2021 etwa: „Minarett und Muezzin-Ruf sind mit einem toleranten Nebeneinander der Religionen, wie es die christlichen Kirchen praktizieren, nicht vereinbar.“ In ihrem Grundsatzprogramm von 2016 heißt es: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland“.

Thema wird toxisch

Solche Vereinnahmungsversuche der Religionsfreiheit für die Diskriminierung anderer Religionen, derer sich auch Rechtpopulisten in der Schweiz, Österreich oder Frankreich bedienen, haben noch einen indirekten, aber dennoch folgenschweren Effekt, auf den der Bericht hinweist. Das Thema wird zu einem toxischen für liberale Politiker*innen, wenn sie fürchten müssen, durch Ihr Engagement als „rechts“ abgestempelt zu werden. Die Autor*innen des Berichtes verweisen in diesem Zusammenhang auf das Europäische Parlament. Während der Legislaturperiode 2014 bis 2019 hätten dort der 14 Mitglieder starken „Intergroup on Freedom of Religion, Belief, Religious Tolerance“ nur zwei Vertreter von Rechtsaußen-Parteien angehört. Die Mehrheit kam von anderen Parteien.  Doch 2022 entsendeten die Fraktionen ID und EKR mit ihren rechtskonservativen bis rechtsextremen Mitgliedsparteien „inzwischen jedoch eine Mehrheit der Mitglieder (zehn von 17). Die Grünen und die Linksfraktion GUE/NGL sind hingegen gar nicht mehr in der Intergroup vertreten, und auch die sozialdemokratische S&D-Fraktion wird lediglich durch ein Mitglied repräsentiert.“

Um den „falschen Freunden“ der Religionsfreiheit von Rechtsaußen nicht noch mehr Raum für Ihre Vereinnahmung des Themas zu geben, rufen EKD und DBK alle gesellschaftlichen und politischen Kräfte dazu auf, „Vereinnahmungsversuchen von Rechtsaußen entgegenzuwirken und sich selbst aktiv und sichtbar für die Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu engagieren.“

Vernebeltes Menschenrecht

Neben der Situation in Deutschland beschreibt der Bericht auch die Lage in elf anderen Ländern, etwa China, Russland, der Türkei und Indien. Doch diese exemplarische Auswahl bedeute nicht, dass in allen anderen Ländern alles in Ordnung sei, betonte der Menschenrechtsexperte Heiner Bielefeldt, Professor an der Uni Erlangen-Nürnberg bei der Vorstellung des Berichtes. Vielmehr drohe die Religionsfreiheit als Menschenrecht vernebelt zu werden, es dürfe nicht isoliert von den anderen Menschenrechten betrachtet werden. „Es öffnet als Menschenrecht den Raum für einen breiten Pluralismus“. Ohne das Eintreten für die Religionsfreiheit sei der Einsatz  für die Menschenrechte unvollständig.

Auch die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber betonte die Universalität des Einsatzes für Religionsfreiheit. „Das Recht auf Religionsfreiheit gilt allen Menschen. Insofern beziehen wir – aus christlicher Perspektive – Angehörige anderer Religionen ebenso ein wie auch Menschen, die keine Religion haben. Und wir verteidigen ein Recht, das auf Menschen ausgerichtet ist und sie schützt, nicht Institutionen.“ Deutlich wurde so die Distanz, die die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die EKD von anderen Berichten zur Religionsfreiheit halten, vor allem gegenüber dem von „Open Doors“, einer Partnerinstitution der weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) oder dem katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ , die sich vor allem auf die verfolgten Christen weltweit beziehen und zum Teil auch „Rankings“ erstellen und diese mit Zahlen unterfüttern.

Darauf habe man aus „methodischen Gründen“ verzichtet, sagte Bischof Bertram Meier aus Augsburg, der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der DBK. „Diesbezügliche Versuche haben bislang noch nie wirklich überzeugt, sie blieben stets anfechtbar.“ Stattdessen konzentriere sich der Ökumenische Bericht darauf, die Situationen und Umstände, in denen Christen (oder auch die Anhänger anderer Religionen) unter Druck geraten, besser zu erfassen – und so ein vertieftes Verständnis für die komplexen Zusammenhänge zu vermitteln. „Wir wollen weder leisetreterisch Verrat an den Menschen üben, deren Rechte eingeschränkt werden, noch wollen wir Missstände in alarmistischem Ton ansprechen, um größere Resonanz zu erzielen. Auch im Bereich der Religionsfreiheit ist nicht alles schwarz und weiß, oft dominieren die Grautöne. Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, diese Schattierungen wahrzunehmen“, sagte Meier.

Der Bericht ist hier abrufbar.

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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