Provokation

Über das Katholischsein
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Matthias Matussek hat keinen Abenteuerroman geschrieben, sondern ein Missionsbuch.

Provokationen, die sich selber so nennen, können selten das einhalten, was sie versprechen. Spiegel-Autor Matthias Matussek will in seinem neuen Buch die Leser dazu verführen, sich auf das Abenteuer katholisch zu sein, einzulassen. Der Sprung des Glaubens aber, für den er wirbt, ist bei Licht betrachtet, eher eine Rolle rückwärts. Matussek selbst weiß, dass seine frühen Erfahrungen als Kind und Jugendlicher in einem katholisch geprägten Elternhaus und Milieu in Gesellschaften, in denen der religiöse Pluralismus Teil einer systematischen Vervielfältigung der Lebensentwürfe ist, nicht mehr gelten. Gegenüber dieser Realität möchte das Buch an der unstrittigen Einsicht festhalten, dass sich der christliche Glaube nicht einfach mit optionaler Vielfalt und gar nicht mit moralisch indifferenten Lebenshaltungen verträgt: Wahrheit und das moralisch Gute, kurz das Gottgewollte, kann nicht Sache der Abstimmung werden.

Obwohl sich der Journalist für die Kritik an dem, was unter dem Signum der Frömmigkeit auch an Missbrauch geschehen ist, offen hält, verklärt er sein frühes Erleben zu einer Vergangenheit, deren kulturelle Homogenität so wohl nie bestanden hat. Als Essentials katholischen Glaubens und des Katholischseins überhaupt werden genannt: Hierarchie statt Demokratie, das Zölibat, gerade als konfessorisches Zeichen ganzheitlicher Spiritualität gegen die Sexualisierung aller Lebensbereiche, und nicht zuletzt die Liturgie.

Mit dem Insistieren auf die Unantastbarkeit der Messordnung entspricht Matussek dem modischen Geist kultureller Besitzstandswahrung, der die traditionelle Gottesdienstordnung als den Raum bewahren will, in dem die für religiöses Leben konstitutive Entgrenzungserfahrung möglich werden kann. Aus seiner Klage gegen die seit dem Zweiten Vaticanum erneuerte Liturgie spricht die Angst davor, mit dem Verlust geprägter Formen könnte auch der Glaube seine Prägnanz verlieren.

Von der Volks- zur Entscheidungsreligion

Matussek scheint kein Vertrauen darauf zu haben, dass er die ihm vertraute Kirchlichkeit in Gottesdiensten und in der Religiosität seiner Umwelt noch immer finden kann. Deswegen neigt er dazu, katholische Frömmigkeit im Wandel von der Volks- zu einer Entscheidungsreligion zu restituieren. Dazu öffnet er den Glaubensbegriff für den Modus existenzieller Entscheidung, also unter einem eher protestantischen Vorzeichen, und will von daher die Kraft für den Sprung in die religiöse Gegenwelt gewinnen.

Es wäre indes mit diesem Buch mehr zu gewinnen gewesen, wenn sich der Autor dabei auf die Schilderung seiner religiösen Subjektivität wirklich eingelassen hätte, statt diese antimodernistisch aufzuladen. Matussek fühlt sich in seiner Suche nach Heimat gestört, insbesondere auch von einem Islam, dessen gesellschaftliche Realität er zwar nicht leugnen kann, der für ihn aber nicht einfach dazugehört und bei dem er sich nicht sicher ist, inwieweit nicht das kriegerische Moment für das religiöse Selbstverständnis konstitutiv ist.

Im Kapitel "Gott und die Welt" geht Matussek in hervorragenden Reportagen von seiner katholisch konturierten Gegenwelt zu religiösen Gegenwelten über, wie sie in den Vereinigten Staaten oder in Lateinamerika existieren. Deutlich wird dabei, wie sich der Glaube an Lebensalternativen aufrichtet, zum anderen aber auch diese in all ihren verändernden Phänomenen hervorbringt. So ist Matthias Matussek hier also aufs Ganze gesehen weniger ein Abenteuerroman als ein Missionsbuch gelungen.

Matthias Matussek: Das katholische Abenteuer. Deutsche Verlagsanstalt, München 2011, 357 Seiten, Euro 19,99.

Friedrich Seven

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