Neuer Schwung

Taufe: Ideen und Entwürfe

In Taufe ist im Fluss versammeln Lars Hillebold und Claudia Kusch spannende Impulse aus der und für die gegenwärtige Taufpraxis. Der Band nimmt die vielfältigen Aufbrüche auf, die seit dem ersten „Jahr der Taufe“ 2011 in vielen Regionen stattgefunden haben. Und er entwickelt sie weiter, um der Taufbewegung im aktuellen „Jahr der Taufe“ neuen Schwung zu geben. (#deinetaufe)

Die Beiträge kommen „aus der Praxis und (wollen) in die Praxis wirken“; nicht nur in der Einleitung klingen jedoch auch grundlegende kirchen- und kasualtheoretische Perspektiven an: Der Kern der Taufe wird „als vorbehaltlose und vorurteilsfreie Einladung an alle Menschen“ bestimmt. Die Amtshandlungspraxis der Kirche wird kritisch befragt, ob und wo sie im Sinne der Frage in Apostelgeschichte 8 Menschen daran hindert, „sich oder ihre Kinder taufen zu lassen“. Der Leitsatz heißt: „Nicht die Kirche verfügt über das Ritual, sondern sie ist mit ihrer Ritualkompetenz zu Gast bei den Menschen.“ Die Kirche soll mit der Taufe nicht ausgrenzen, sondern sich zu den Menschen hin öffnen. Sie soll in ihrer Taufpraxis beweglicher werden, damit mehr Menschen erleben, wie die Taufe stärkt und verbindet. Zwei Kommentare bestärken diese Perspektiven, der dritte von Erik Flügge kritisiert die Eltern, die ihre Kinder nicht taufen lassen, weil sie ihnen alle Freiheit lassen wollen, selbst zu entscheiden: „Wer nicht tauft, raubt seinem Kind Chancen.“

Die folgenden praktisch-theologischen Wahrnehmungen führen den „Dialog mit dem säkularen Kontext“ weiter mit dem Ziel, die „Entmarginalisierung der Taufe“ voranzutreiben. Fabian Peters nennt Zahlen und schaut kritisch auf den Zusammenhang von Taufe und Kirchenmitgliedschaft. Emilia Handtke setzt theologisch an: Die Taufe schafft eine Verbindung zu Gott, „der Kraft zum Guten, dem Überwinder des Todes, der Chance auf einen Neuanfang, dem Beistand in der Not.“ Regina Sommer betont in ihrem Beitrag, dass Eltern ihre Kinder vor allem aus einer Sehnsucht nach Schutz und Segen taufen lassen. Traugott Roser konkretisiert und spitzt die theologischen Überlegungen zu: Er formuliert ein eindrückliches Plädoyer für die Taufe früh- und frühstverstorbener Kinder, denn die Taufe stellt uns in eine Lebenswirklichkeit, in der die Macht des Todes bereits gebrochen ist. Und Christian Walti schildert an einem konkreten Beispiel, wie „Taufe im Religionsgemisch“ zu begründen und zu gestalten ist.

In Lars Hillebolds Beitrag bündeln sich Grundfragen der Taufbewegung. Im Patenamt verdichten sich exemplarisch die Konflikte um die kirchliche Logik der Zulassung, die familiale Hoffnung auf Segen und bleibende Gemeinschaft und die „fragende Welt“. Hillebold plädiert dafür, das Amt für Menschen zu öffnen, die sich gegenüber dem Täufling bewusst für religiös-spirituelle Fragen zuständig fühlen, auch wenn sie keiner Kirche angehören. Hillebold ist klar: Werden die „Grenzen durchlässig(er)“ gestaltet, ist das für die Identität der Kirche riskant, zugleich aber ein Zeichen, dass die Kirche dem Wirken Gottes vertraut.

In den Teilen B und C des Buches (und in dem zusätzlichen Downloadmaterial) finden sich vielfältige Anregungen, liturgische Formulare und Ansprachen zu Taufen an besonderen Orten und Zeiten, bei (großen) Tauffesten und in spezifischen Kontexten. Der Band versammelt hilfreiche Überlegungen und Materialien zu Erwachsenentaufen und Tauferinnerungen, aber auch „liturgisch-musikalische Taufpakete“, die bewusst die Klänge aufnehmen, die Menschen oder Familien in der Gegenwart religiös prägen.

Der Bericht von Katharina Scholl und Margit Zahn über eine über die Medien angekündigte spontane Taufaktion zeigt, wie aufmerksam das Taufhandeln der Kirche öffentlich wahrgenommen wird; die breite Resonanz auf dieses Angebot stärkt die Menschen in der Gemeinde und insbesondere die (ehrenamtlichen) Mitarbeitenden. Christina Bammel macht deutlich, welche Kraft die Tauferinnerung gerade in Zeiten der Verunsicherung und „Enthausung“ für Mitarbeitende entfalten kann.

Taufe im Fluss ist ein wichtiges Buch. Es macht den Kirchen Mut, neue Wege zu erproben, und gibt der Taufbewegung neuen Schwung, ohne der Fiktion zu verfallen, durch eine vielfältigere Taufpraxis den Mitgliederschwund aufhalten zu können. Es deckt Spannungen zwischen den verschiedenen Logiken auf, die die Taufpraxis bestimmen, und plädiert dafür, sich den damit verbundenen Ambivalenzen zu stellen. Seine Impulse und Innovationen signalisieren eine große Wertschätzung der Taufe und fördern das Vertrauen in die Kraft dieses Grundvollzugs des Glaubens, der allem Christsein und allem kirchlichen Handeln vorausliegt.

Der „Flow“ des Buches fordert dazu heraus, eigene Schwerpunkte zu setzen: In der Taufe vollzieht sich ein Herrschaftswechsel. Menschen, Kinder werden frei von den Erwartungen und Ansprüchen, die andere an sie stellen, aber auch sie selbst. Umkehr wird möglich, ein neuer Weg. Eltern, Partnerinnen und Paten müssen loslassen, eine andere Person Gott anvertrauen. Die Taufansprachen im Buch setzen auf unbedingte Zusage und bleibenden Beistand. Die biblischen Texte im Umfeld der Taufe sind konfliktbewusster; sie ermutigen dazu, sich realistisch mit der wachsenden Angst vor der Zukunft zu beschäftigen. Unsere Tauftheologie muss sich in diesen Auseinandersetzungen bewähren.

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