Mitten in Berlin – lebendige Kunst

Zwölf Variationen zur Auferstehung in der Parochialkirche
Parochialkirche
Foto: Ralf Kloeden

Die Parochialkirche ist eine der eindrücklichsten Kirchen im Berliner Stadtzentrum: 1695 bis 1705 als Zentralbau auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes mit vorgelagertem Portikus erbaut, wurde sie 1944 bis auf die Grundmauern zerstört. Der Wiederaufbau in den 1980er-Jahren und um 2000 zeigt sie äußerlich wiederhergestellt, innerlich in ihrer backsteinsichtigen Blöße als vernarbtes Refugium. Hier hat eine Ausstellung Platz gefunden – „Kunstraum Parochial. Zwölf Variationen zur Auferstehung “ –, die die Kirche zum Ort des künstlerischen Dialogs zwischen Heilsversprechen und globaler Wirklichkeit werden lässt. Wie das 1961 aus Schrott gefertigte Triumphkreuz von Fritz Kühn (1910–1967) symbolhaft veranschaulicht, stehen auch die „Zwölf Variationen zur Auferstehung“ für die Auseinandersetzung mit der Wirkmächtigkeit des Heiligen in einer zerrissenen Zeit.

Albrecht Henkys hat die Ausstellung verantwortet, vormals umtriebig-unkonventioneller Kurator der Nikolaikirche als Teil des Berliner Stadtmuseums. Wo dort einst in einer barocken Grabkapelle ein imposantes Ölbild prangte „Christus im Moment der Auferstehung“ – eines der reifsten Barockdokumente seiner Gattung in Berlin-Brandenburg –, gab es nach dem Krieg eine großflächige Leerstelle. Diese neu zu füllen, beauftragte Henkys mit Ermutigung von Hans Scheib zwischen 2021 und 2023 vierzehn verschiedene, namhafte Künstlerinnen und Künstler – und niemand von ihnen ließ sich lange bitten. Die zwölf entstandenen Werke kleiden nun den nackten Raum der Parochialkirche auf einzigartige Weise – so, dass der Eindruck entsteht, Kunst und Raum wären füreinander geschaffen. In drei der vier Konchen (Wandnischen) sind jeweils zwischen den hoch aufragenden Rundbogenfenstern vier Werke zu sehen. In der Nordkonche als Begegnung mit Sehnsucht und Wirklichkeit Werke von Christa Jeitner, Sabine Herrmann, Doris Leue und Helen Verhoeven. In der Ostkonche als Begegnung mit Licht und Schatten Werke von Nikolai Makarov, Johanna Staniczek, Klaus Killisch/ Markus Rheinfurth und Thomas Lucker. In der Südkonche als Begegnung mit Vision und Gegenwart Werke von Hans Scheib/Robert Weber, Volker Henze, Rebecca Raue und Helge Leiberg.

Das Besondere dieser Ausstellung liegt zuallererst in der kraftvollen Ansprache eines jeden Werkes begründet, die für sich nicht unbedingt einer Erklärung bedürfen. Dennoch sind in einem ästhetischen Taschenkatalog anregende Impulse dafür gegeben. Neben der im Spiegel der Biografien hohen Authentizität und der von individueller Intensität geprägten Kraft aller Werke, die leuchtet und einen bestärkt weiterziehen lässt, ist es vor allem aber die wirkmächtige Verschränkung von Raum und Zeit. Räumlich ist es die Verflechtung des ästhetisch-architektonischen mit dem theologischen: Über dem Grundriss des Kreuzes erhebt sich die Auferstehung. Aus einer Form. In vielerlei Gestalt.

Hoffnung auf Zukünftiges

Zeitlich ist es die visionäre Auseinandersetzung mit dem einzigartigen dritten Element: Alle Bilder widmen sich der Kraft der Auferstehung – jenem Moment, den darzustellen eigentlich unmöglich ist, weil alles in Geburt und Tod seinen Anfang und sein Ende nimmt. Hier wird der Dreh- und Angelpunkt einer Weltsicht in den Blick genommen, den man glauben kann – oder nicht. So oder so verkörpert er eins: Hoffnung auf Zukünftiges. Die spiegelt sich hier – Dank wirklich starker Künstlerinnen und Künstler – besonders. Hilfreich bei der Betrachtung ist die Orientierung im Raum und die bewusste Wahrnehmung der Hängung der Quartette in den jeweiligen Konchen, die trotz substanzieller Autonomie aus der Aufgabenstellung heraus jeweils interessante Bezugspunkte zueinander aufweisen – sei es farblich oder ikonografisch, weltanschaulich oder konzeptionell. In der Ostkonche fällt auf, wie hier im aufgehenden Licht das Licht selbst markante Bedeutungschiffre ist. Im Gegenüber von Nord- und Südkonche eröffnet sich ein facettenreiches Wechselspiel von Leere und Fülle, farblicher Reduktion und paradiesischer Sinnlichkeit. 

 

Kunstraum Parochial. Bis 20. Mai 2024. Parochialkirche Berlin, Klosterstraße 67, 10179 Berlin. Geöffnet Mo­–Fr 10–16 Uhr und Sa–So 13–16 Uhr, Eintritt frei. Katalog drei Euro.

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