Zusammenspiel

Aktuell: Die Theologie Barths

Es wird vermutlich kaum überraschen, dass Karl Barth für ein die verschiedenen theologischen Fächer umfassendes Gesamtkonzept der Theologie steht. Wie allerdings das Zusammenspiel dieser Fächer miteinander bei ihm funktioniert, ist damit noch keineswegs ausgemacht. Darauf wird es aber ankommen, wenn die Frage gestellt wird, wie die sich weiter ausdifferenzierenden theologischen Disziplinen sich besser miteinander verbinden lassen.

Das Karl Barth-Zentrum für reformierte Theologie der Universität Basel und das Institut für Hermeneutik und Religionsphilosophie der Universität Zürich haben zu genau dieser Frage im Karl-Barth-Jahr 2019 deutsche und Schweizer Theologinnen und Theologen zu einem Symposion eingeladen, dessen überarbeitete Beiträge in diesem Sammelband dokumentiert werden. Anstatt vordergründig wissenschaftspolitische Selbstverteidigungsimpressionen zu bemühen, wird die „prekäre Lage“ der akademischen Theologie eingestanden, die sich vor allem in dem immer weiter in den Hintergrund geratenden Praxisbezug der theologischen Teildisziplinen zeige.

Es wird grundsätzlich einzuräumen sein, dass der Theologie aus der nicht zu vergegenständlichenden Selbstreferenz ihres spezifischen Gegenstandes sowohl ihre spezifische Herausforderung als auch die Ausrichtung ihrer spezifischen Achtsamkeit erwächst. In seinem überraschend ergiebigen Vergleich zwischen Karl Barth und Friedrich Schleiermacher kann Notger Slenczka zeigen, dass diese aktualistische Kontingenzoffenheit nicht nur ein Spezifikum der Theologie Barths ist, sondern eben auch für Schleiermacher in eigener Weise vorauszusetzen ist. Diese fundamentaltheologische Erschließung einer bedeutsamen strukturellen Affinität markiert zwar eine bemerkenswerte Verwandtschaft, deren Grenzen dann aber in den grundlegenden Differenzen der jeweils in Anspruch genommenen Orientierungsressourcen liegen. Damit wird immerhin gezeigt, dass die für die Theologie zu betonende Bezogenheit auf die kirchliche Praxis nicht ihre konzeptionelle Freiheit beschränkt.

In anderer Weise ergiebig liest sich der Beitrag von Günter Thomas, der in produktiver Erinnerung an die 1923 in offenen Briefen ausgetragene „Vergegnung“ zwischen Barth und Adolf von Harnack die fundamentale Differenz von zwei bis heute gegeneinanderstehenden Konzepten der Theologie veranschaulicht. Barth stellt der historistischen Genügsamkeit einer Theologie, die mit dem Verweis auf das Gottesbewusstsein einflussreicher Persönlichkeiten in der Kultur immer mühseliger die Religion über Wasser zu halten versucht, die konsequent vorauszusetzende Lebendigkeit Gottes entgegen. Erst im Bezug auf die aktuelle Aktivität Gottes kann der Theologie eine sinnvolle Bestimmung zuwachsen, auch wenn sie sich dabei einzugestehen hat, dass sie in ihren Versuchen, von Gott her zu denken, stets hypothetisch und bruchstückhaft bleibt. Barths Referenz auf die Offenbarung stellt die Theologie in die Perspektive der Auferstehung, die im Christusereignis das „stabile, idealtypische Medium der Selbsterschließung Gottes“ anerkennt. Es gilt für die Theologie, die Kirche und unser Leben von der Lebendigkeit Gottes her zu verstehen, die ihr nicht einfach zur Verfügung steht, auf die sie sich aber vor allem in ihren biblischen Bezeugungen ausrichten kann.

In diesem Band wird uns kein zu rezipierender Barth-Positivismus präsentiert, sondern zu einem innovativen und eigenständigen Umgang mit den Erschließungen Barths angeregt. Erhellende Beiträge zur ethischen Konzeptionalität der Theologie Barths von Friedrich Lohmann und Rebekka Klein sprechen den voraussetzungsvollen Charakter der Praxisorientierung der Theologie Barths an. Schließlich bleibt die befreiende biblische Selbstverpflichtung Barths hervorzuheben, wie sie in verschiedenen Beiträgen angesprochen wird, in der ein auch in diesem Band nicht eigens aufgegriffenes ökumenisches Potenzial bereitliegt.

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